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Richtlinienvorschlag zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der EU

Aus wistra 1/2023

Nachdem der Beschluss des EU-Rats über die Feststellung des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union als einen die Kriterien nach Art. 83(1) AEUV erfüllenden Kriminalitätsbereich am 30.11.2022 in Kraft getreten ist (ABl. Nr. L 308/18 v. 29.11.2022; zum Hintergrund und dem deutschen Zustimmungsgesetz s. Busch, wistra 2022, H. 8 R8; wistra 2022, H. 11 R9), präsentierte die Kommission am 2.12.2022, also nur zwei Tage später, ihren auf die neu geschaffene Kompetenzgrundlage gestützten Vorschlag zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union (COM(2022) 684 final; BR-Drucks. 643/22; s. auch die Mitteilung der Kommission vom 25.5.2022 „Künftige Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für den Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union“ [COM(2022) 249 final]). Die geplante Richtlinie soll die strafrechtlichen Definitionen im Zusammenhang mit Verstößen gegen restriktive Maßnahmen („EU-Sanktionen“) angleichen, eine wirksame, abschreckende und angemessene Ahndung gewährleisten, die grenzüberschreitende Strafverfolgung fördern und „die operative Wirksamkeit nationaler Durchsetzungsketten“ verbessern. Bundesjustizminister Buschmann hatte sich am 28.11.2022 gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Dupond-Moretti dafür ausgesprochen, dass die Europäische Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der zukünftig harmonisierten strafbaren Verstöße gegen EU-Sanktionen zuständig sein soll (LTO vom 28.11.2022)

Gelten soll die Richtlinie für Verstöße gegen restriktive Maßnahmen der EU, zu denen Verfügungsverbote („Einfrieren“) und Bereitstellungsverbote, Ein- und Durchreiseverbote, sektorbezogene wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen sowie Waffenembargos gehören (Art. 2[1]; Definitionen in Art. 2[2]). Neben der Verpflichtung zur Schaffung bestimmter Straftatbestände mit Mindesthöchststrafen (Art. 3, 5) sind Vorgaben enthalten zu Teilnahme und Versuch (Art. 4), Verantwortlichkeit juristischer Personen (Art. 6, 7), erschwerenden und mildernden Umständen (Art. 8, 9), Sicherstellung und Einziehung (Art. 10), Strafanwendungsrecht (Art. 11), Verjährung (Art. 12), Koordinierung und Zusammenarbeit (Art. 13, 16), Hinweisgeberschutz (Art. 14), Ermittlungsinstrumenten (Art. 15), Geldwäschestrafbarkeit (Art. 17) und Statistiken (Art. 19[2][3]). Die Richtlinie soll innerhalb von nur sechs Monaten nach ihrem Inkrafttreten umzusetzen sein (Art. 18[1]) und von der Kommission nach zwei bzw. fünf Jahren evaluiert werden (Art. 19[1][4]). Näher eingegangen werden soll hier auf die Straftatbestände und Strafen für natürliche Personen, die Verantwortlichkeit und Sanktionierung juristischer Personen sowie die Einziehung.

1. Straftatbestände und Strafen für natürliche Personen 

Nach Art. 3(2)(a)-(g),(3) müssen die Mitgliedstaaten folgende Verstöße bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unter Strafe stellen:

a) Bereitstellung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen an eine benannte Person, Organisation oder Einrichtung oder zu deren Gunsten unter Verstoß gegen ein Verbot durch eine restriktive Maßnahme der Union; 

b) Versäumnis, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen, die Eigentum oder Besitz einer benannten Person, Organisation oder Einrichtung sind oder von ihnen gehalten oder kontrolliert werden, unverzüglich einzufrieren, unter Verstoß gegen eine durch eine restriktive Maßnahme der Union auferlegte Verpflichtung; 

c) Ermöglichung der Einreise benannter natürlicher Personen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder ihrer Durchreise durch dieses Hoheitsgebiet unter Verstoß gegen ein Verbot durch eine restriktive Maßnahme der Union; 

d) Abschluss von Transaktionen mit einem Drittstaat, Einrichtungen eines Drittstaats und sich im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Drittstaats oder von Einrichtungen eines Drittstaats befindenden Organisationen und Einrichtungen, die durch restriktive Maßnahmen der Union verboten oder eingeschränkt sind; 

e) Handel mit Waren oder Dienstleistungen, deren Einfuhr, Ausfuhr, Verkauf, Kauf, Verbringung, Durchfuhr oder Beförderung durch restriktive Maßnahmen der Union verboten oder eingeschränkt ist, sowie Erbringung von Vermittlungsdiensten oder sonstigen Dienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Waren und Dienstleistungen; 

f) Erbringung von Finanzdiensten, die durch restriktive Maßnahmen der Union verboten oder eingeschränkt sind, wie Finanzierung und finanzielle Unterstützung, Erbringung von Investitions- und Wertpapierdienstleistungen, Ausgabe übertragbarer Wertpapiere und Geldmarktinstrumente, Annahme von Einlagen, Erbringung spezialisierter Nachrichtenübermittlungsdienste für den Zahlungsverkehr, Handel mit Banknoten, Erbringung von Ratingdiensten, Bereitstellung von Kryptowerten und -geldbörsen; 

g) Erbringung anderer Dienste, die durch restriktive Maßnahmen der Union verboten oder eingeschränkt sind, wie Rechtsberatung, Vertrauensdienste, Public-Relations-Beratung, Wirtschaftsprüfung, Buchführung und Steuerberatung, Unternehmens- und Managementberatung, IT-Beratung, Rundfunk , Architektur- und Ingenieurdienstleistungen; 

Die in Art. 3(2)(h) geregelten Umgehungshandlungen sollen nur bei Vorsatz strafbar sein; sie umfassen:

i) Verschleierung von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen, die sich im Eigentum, im Besitz oder unter der Kontrolle einer benannten Person, Organisation oder Einrichtung befinden und die gemäß einer restriktiven Maßnahme der Union eingefroren werden sollten, durch den Transfer dieser Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen an einen Dritten, 

ii) Verschleierung der Tatsache, dass eine Person, Organisation oder Einrichtung, die restriktiven Maßnahmen unterliegt, der eigentliche Eigentümer oder Begünstigte von Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen ist, indem falsche oder unvollständige Informationen bereitgestellt werden, 

iii) Verstoß einer benannten Person, Organisation oder Einrichtung gegen eine Verpflichtung im Rahmen restriktiver Maßnahmen der Union, Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats zu melden, die in ihrem Eigentum oder Besitz sind oder von ihr gehalten oder kontrolliert werden, 

iv) Verstoß gegen eine Verpflichtung im Rahmen restriktiver Maßnahmen der Union, unverzüglich Informationen über eingefrorene Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen oder Informationen über Gelder und wirtschaftliche Ressourcen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, die Eigentum oder Besitz von benannten Personen, Organisationen oder Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden und die nicht eingefroren wurden, an die zuständigen Verwaltungsbehörden zu übermitteln

v) Versäumnis, mit den zuständigen Verwaltungsbehörden auf deren begründetes Ersuchen bei der Überprüfung der Informationen nach den Ziffern iii und iv zusammenzuarbeiten

Ebenfalls nur bei Vorsatz strafbar ist der in Art. 3(2)(i) geregelte Verstoß gegen Genehmigungsvorbehalte („Verletzung oder Missachtung von Bedingungen im Rahmen von Genehmigungen, die von den zuständigen Behörden für die Ausübung von Tätigkeiten erteilt wurden, die ohne eine solche Genehmigung im Rahmen einer restriktiven Maßnahme der Union verboten oder eingeschränkt sind.“).

Der Versuch ist außer bei den Umgehungstatbeständen des Art. 3(2)(h)(iii)-(v) ebenfalls unter Strafe zu stellen.

Dem Selbstbelastungsverbot der betroffenen Personen und dem Berufsgeheimnisschutz soll Art. 3(4)(5) Rechnung tragen. Einen Ausschluss der Strafbarkeit bei Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs (wie etwa Lebensmittel und kleine Geldbeträge) sowie bei humanitärer Hilfe regelt Art. 3(5).

Als Höchststrafe müssen die Mitgliedstaaten für alle Straftatbestände mindestens Freiheitsstrafe vorsehen (Art. 5[2]). Außerdem müssen „zusätzliche Sanktionen“ einschließlich Geldstrafen verhängt werden können (Art. 5[5]). Eine Mindesthöchstfreiheitsstrafe von fünf Jahren ist bei Vorsatz für Verstöße nach Art. 3(2)(a)-(g), die Umgehungstatbestände nach Art. 3(2)(h)(i)(ii) und die Genehmigungsverstöße nach Art. 3(2)(i) vorzusehen, wenn es sich um Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen im Wert von mindestens 100.000 € handelt, wobei der Mindestwert durch eine Reihe verbundener Straftaten erreicht werden kann, wenn sie vom selben Straftäter begangen werden (Art. 5[4]). Für die übrigen Umgehungstatbestände (Art. 3[2][h][iii]-[v]) ist bei einem Schwellenwert von ebenfalls 100.000 € eine Mindesthöchstfreiheitsstrafe von einem Jahr vorzusehen (Art. 5[3]). Für grob fahrlässig begangene Straftaten werden keine Mindesthöchstfreiheitsstrafen vorgeschrieben.

In Deutschland sind Sanktionsverstöße nach §§ 17 – 19 AWG mit Strafe bzw. Geldbuße bewehrt. Mit den Sanktionsdurchsetzungsgesetzen I + II kommen strafbewehrte Meldepflichten für gelistete Personen hinzu (§§ 23a I, III, 18 Vb AWG bzw. zukünftig § 18 Va AWG und §§ 10, 16 SanktDG; s. dazu Busch, wistra 2022, H. 7 R8, wistra 2022, H. 12 R7) und damit eine Bestrafung des Verstoßes, einzufrierendes Vermögen zu melden, wie dies Art. 3(2)(h)(iii) vorsieht. Auf eine Strafbewehrung von (sonstigen) Umgehungsverboten hat der deutsche Gesetzgeber allerdings mit dem Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts von 2013 verzichtet, um Bedenken der Rechtsprechung gegen die Bestimmtheit des früheren Tatbestands Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 17/11127, 27). Der BGH hatte zu dem damaligen § 34 IV Nr. 2 AWG ausgeführt, dass eine Auslegung denkbar sei, wonach jede Handlung, die mit dem Ziel unternommen wird, einer an sich mit einer Verbots- oder Gebotsnorm eines EU-Embargos unvereinbaren Aktivität den Schein der Rechtmäßigkeit zu verleihen, bereits als vollendete Straftat zu ahnden wäre. Ein derartiges Rechtsverständnis hätte nach Auffassung des BGH nicht nur eine uferlose Ausdehnung und Vorverlagerung der Strafbarkeit zur Folge gehabt, sondern auch das für die Strafvorschriften des AWG geltende System der abgestuften Strafbarkeit von Vorbereitung, Verabredung, Versuch und Vollendung für ein dem Umgehungsdelikt zugrunde liegendes Hauptdelikt aufgelöst. Der BGH hatte daher „unabhängig von der verfassungsrechtlichen Problematik“ eine einschränkende systematische Auslegung vorgenommen, wonach die Strafbarkeit wegen eines Umgehungsdelikts nicht weitergehen kann als die Strafbarkeit wegen eines Verstoßes gegen das vom Umgehungstatbestand in Bezug genommene Verbot oder Gebot (BGH v. 23.4.2010 – AK 2/10, Rz. 31).  

2. Verantwortlichkeit juristischer Personen 

Art. 6 enthält die in strafrechtlichen Richtlinien gebräuchliche Formulierung zur Verantwortlichkeit juristischer Personen bei einschlägigen Straftaten ihrer Leitungspersonen (Art. 6[1]) bzw. bei durch Aufsichtspflichtverletzung von Leitungspersonen ermöglichten einschlägigen Straftaten von Nicht-Leitungspersonen (Art. 6[2]). Die Sanktionen gegen juristische Personen sind in Art. 7 geregelt, der wohl versehentlich auf die Verantwortlichkeit „nach Art. 7“ verweist. Gemeint sein dürfte die Verantwortlichkeit nach Art. 6, wobei offen ist, ob insbesondere die in Art. 7(2)(3) vorgegebenen Mindesthöchstsanktionen sowohl für Straftaten von Leitungspersonen (bei Verweis nur auf Art. 6[1]) oder auch bei Aufsichtspflichtverletzung von Leitungspersonen (bei Verweis auf Art. 6[1] und [2]) gelten sollen.

Nach Art. 7 müssen zu den Sanktionen gegen juristische Personen Geldbußen oder Geldstrafen gehören. Es erfolgt also auch hier keine Festlegung auf ein Unternehmensstrafrecht. Die Mitgliedstaaten müssen für eine Verantwortlichkeit von juristischen Personen für Straftaten sorgen, die aber keine strafrechtliche Verantwortung sein muss und wie in Deutschland ordnungswidrigkeitenrechtlich ausgestaltet sein kann (s. auch Erwägungsgrund 11). Die Mitgliedstaaten müssen für die nach der Richtlinie zu schaffenden Straftaten Mindesthöchstgeldbußen von 5 % des weltweiten Gesamtumsatzes der juristischen Person im Geschäftsjahr vor der Entscheidung über die Geldbuße vorsehen – mit Ausnahme der Umgehungstatbestände nach Art. 3(2)(h)(iii)-(v), wo das Höchstmaß mindestens 1 % betragen muss, und der Straftat nach Art. 3(2)(g) – Erbringung verbotener oder eingeschränkter Dienste –, für die keine Mindesthöchstgeldbuße vorgegeben wird.

Ferner müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 7(1) neben Geldbußen weitere Sanktionen schaffen (Ausschluss von Subventionen und Beihilfen, Ausschluss von Vergabeverfahren, Finanzhilfen und Konzessionen), was im deutschen Recht bislang nicht vorgesehen ist. Weitere Rechtsfolgen gegen Unternehmen (Betätigungsverbot, Entziehung von Genehmigungen, richterliche Aufsicht, Auflösung, Betriebsschließung) sind optional (Art. 7[2][a]-[e]).

Ähnliche Regelungen zur Verantwortlichkeit juristischer Personen finden sich in Art. 6, 7 des Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt vom Dezember 2021 (COM[2021] 851 final; BR-Drucks. 27/22; s. dazu Busch, wistra 2022, H. 7 R8). Der EU-Rat hat sich in seiner am 9.12.2022 beschlossenen Allgemeinen Ausrichtung insoweit für die bevorstehenden Trilogverhandlungen aber zugunsten von nur optionalen Vorgaben positioniert (siehe Ratsdokument 15006/22 sowie die Erklärungen von Estland [15006/22 Add 2], Finnland und Bulgarien [15006/22 Add 3] sowie Ungarn [15006/22 Add 4]). 

3. Einziehung 

Die von der Kommission bereits im Mai 2022 vorgeschlagene Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten (BR-Drucks. 281/22; s. dazu Busch, wistra 2022 H. 7 R8) soll nach ihrem Art. 2(3) auch für die Einziehung bei Straftaten nach der von der Kommission jetzt vorgeschlagenen Richtlinie zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der EU gelten.

Darüber hinaus sieht der jetzt vorgelegte Richtlinienvorschlag in seinem Art. 10 vor, dass sanktionsbetroffene Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, hinsichtlich derer eine gelistete Person eine Umgehungsstraftat nach Art. 3(2)(h)(i) oder (ii) begeht oder daran beteiligt ist, für die Zwecke der (als Vorschlag vorliegenden) Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten als „,Erträge’ aus Straftaten gelten“. Das heißt, dass bei einer Verschleierung von sanktionsbetroffenen Vermögensgegenständen oder des Eigentums daran durch Transfer an einen Dritten (Art. 3[2][h][i]) bzw. durch Falschangaben (Art. 3[2][h][ii]) diese Vermögensgegenstände als Ertrag zu gelten haben, obwohl sie dem Täter nicht durch diese Straftat zugeflossen sind und grundsätzlich von ihrer rechtmäßigen Herkunft auszugehen ist. Argumentieren ließe sich, dass der Täter durch die Verschleierungshandlung die Verfügungsbefugnis über den sanktionsbetroffenen Vermögensgegenstand (zurück-)erlangt. In diese Richtung deutet die Erläuterung in Erwägungsgrund 15, dass die gelistete Person infolge der Verschleierungshandlungen nach Art. 3(2) (h)(i) oder (ii) weiterhin auf eingefrorene Vermögensgegenstände zugreifen und sie in vollem Umfang nutzen und darüber verfügen kann. Einzuziehen wäre dann jedoch auch nur diese Verfügungsbefugnis und nicht das Eigentum an dem Vermögensgegenstand.

Durch die Gleichsetzung von sanktionsbetroffenem Vermögen mit Tatertrag würden die in der geplanten Richtlinie über die Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten für Taterträge vorgesehenen Vorschriften greifen, also insbesondere Wertersatz- und Dritteinziehung, erweiterte Einziehung und Einziehung ohne vorherige Verurteilung sowie Einziehung bei unklarer Herkunft im Zusammenhang mit kriminellen Aktivitäten (s. Art. 12–16 des Richtlinienvorschlags Abschöpfung und Einziehung von Vermögenswerten). Nach Erwägungsgrund 15 soll auf die Verhältnismäßigkeit der Einziehung der unter die Sonderdefinition von Art. 10 fallenden Erträge in jedem Einzelfall zu achten sein.

Aus Sicht des deutschen Rechts dürfte es sich bei verschleierten sanktionsbetroffenen Vermögensgegenständen um Tatobjekte (§ 74 II StGB) handeln. Diese Kategorie ist dem europäischen Einziehungsrecht allerdings fremd. Eine Tatobjekteinziehung ist nur aufgrund von Sondervorschriften möglich, die bei AWG-Straftaten mit § 20 AWG vorhanden sind. Sie hat Strafcharakter, ist daher enger ausgestaltet als die Tatertragseinziehung und nur unter den besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen von § 74f StGB zulässig.

Für den Verstoß gegen die Pflicht zur Anzeige von sanktionsbetroffenem Vermögen (Art. 3[2][h][iii]) soll Art. 10 nicht gelten (zur Tatobjekteinzieh ung bei Verstößen gegen die in § 18 Vb AWG bzw. zukünftig in § 18 Va AWG und §§ 10, 16 SanktDG strafbewehrten Meldepflichten s. Busch, wistra 2022, H. 12 R7, R9; Wegner, BT-Finanzausschuss-Protokoll 20/34, S. 15, Anlage 6, S. 8).

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


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