Aus wistra 7/2022
Erstes Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I)
Materialien:
Gesetzentwurf (BT-Drucks. 20/1740), Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/1892); Wortprotokoll der Anhörung (Protokoll-Nr. 20/11)
Das Sanktionsdurchsetzungsgesetz I (BGBl. I, 755) mit Änderungen im AWG, GwG, KWG, WpHG und FinDAG ist nach seinem Art. 6 am 28.5.2022 in Kraft getreten. Es war erst gut zweieinhalb Wochen zuvor, am 10.5.2022, von den Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP in den Bundestag eingebracht worden (BT-Drucks. 20/1740), der es in erster Lesung beraten und an den Finanzausschuss überwiesen hat, wo am 16.5.2022 eine Sachverständigenanhörung stattfand. Ausschussberatung sowie zweite und dritte Lesung wurden noch in derselben Woche abgehalten. Am 19.5.2020 passierte das Gesetz den Bundesrat. Ein Zweites Sanktionsdurchsetzungsgesetz ist in Planung.
Anlass für die Neuregelungen sind die „Sanktionspakete“, die die EU als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine verschiedet hat (zu den EU-Individualsanktionen s. Wegner, GWuR 2022, 35). Die geltenden Regelungen seien zur Durchsetzung dieser Maßnahmen nicht ausreichend und es solle mittelfristig ein speziell auf die Sanktionsdurchsetzung abgestimmter Rechtsrahmen geschaffen werden. Für eine kurzfristige Schließung von Regelunglücke solle das Sanktionsdurchsetzungsgesetz I sorgen, dessen Vorschriften zügig umsetzbar und „als Vorgriff“ auf eine spätere grundlegendere Lösung zu verstehen seien (BT-Drucks. 20/1740, 1).
1. Wesentliche Änderungen im AWG
Die AWG-Änderungen in Art. 1 schaffen Befugnisse zur Ermittlung und Sicherstellung von sanktionsbetroffenen Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen und regeln Modalitäten der Sicherstellung (§§ 9a-9c AWG) sowie Befugnisse zur Verarbeitung personenbezogener Daten- und zur Informationsübermittlung (auch für Strafverfolgungszwecke), §§ 9d, 24 IV, V AWG. Die Landesbehörden, deren grundsätzliche Zuständigkeit § 13 IIa AWG klarstellt, können danach zur Ermittlung von sanktionsbetroffenen Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen die „erforderliche Maßnahmen“ treffen und insbesondere Personen vorladen und vernehmen, Durchsuchungen durchführen und Gegenstände beschlagnahmen (§ 9a I, II Nr. 2, 3, 5, III, IV AWG). Ist unklar, ob Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen Sanktionen unterfallen, können sie bei entsprechenden Anhaltspunkten bis zur Klärung vorläufig sichergestellt werden (§ 9b II). Tatsächlich sanktionsbetroffene Gelder und Vermögensgegenstände können (ggf. anschließend) sichergestellt werden, um Sanktionsverstöße zu verhindern (§ 9b I, II 3 AWG). Sichergestellte Gelder und wirtschaftliche Ressourcen sind grundsätzlich in Verwahrung zu nehmen (§ 9c I AWG).
In § 23 V AWG wird die Auskunftspflicht von Außenwirtschaftsteilnehmern auf „Auslagerungsunternehmen“ erstreckt, also auf „Stellen, an die ein Auskunftspflichtiger Aufgaben auslagert oder derer er sich in sonstiger Weise in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der Teilnahme am Außenwirtschaftsverkehr bedient.“
Es wird außerdem mit dem neuen § 23a AWG eine Anzeigepflicht geschaffen, deren Verletzung §§ 18 Vb, 19 IIa AWG mit Strafe bzw. Geldbuße bewehren. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
„§ 23a Anzeigepflichten
(1) Soweit nicht bereits nach einem im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union veröffentlichten unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union, der der Durchführung einer vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme dient, eine anderweitige Anzeigepflicht besteht, sind Ausländer und Inländer, deren Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen im Geltungsbereich dieses Gesetzes durch einen solchen Rechtsakt einer Verfügungsbeschränkung unterliegen, verpflichtet, diese Gelder der Deutschen Bundesbank und diese wirtschaftlichen Ressourcen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nach Maßgabe des Absatzes 3 unverzüglich anzuzeigen.
(2) Die Pflicht nach Absatz 1 gilt auch für Logistikdienstleister im Sinne der §§ 453 und 467 des Handelsgesetzbuches, die Kenntnis von im Geltungsbereich dieses Gesetzes befindlichen Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen im Sinne des Absatzes 1 haben.
(3) Die Anzeige nach den Absätzen 1 und 2 muss den Namen oder die Firma des betroffenen Ausländers oder Inländers sowie Angaben zur Art und zum Wert der von der Verfügungsbeschränkung erfassten Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen enthalten. Sie müssen in deutscher Sprache abgefasst sein und den Absender erkennen lassen.“
Der (vorsätzliche) Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach Abs. 1 (Sanktionsbetroffene) wird nach § 18 Vb 1 AWG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar (§ 18 VI AWG). Tatobjekte unterliegen der Einziehung (§ 20 AWG, §§ 74 II, 74a StGB), so dass sich die Frage stellt, ob es sich bei den nicht angezeigten Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen um Gegenstände handelt, auf die sich die Tat bezieht. Das dürfte zu verneinen sein, wenn man Tatobjekte vor allem als Gegenstände versteht, deren Verwendung zur Erfüllung des Tatbestands notwendig ist (vgl. Schmidt, Vermögensabschöpfung, 2. Aufl. 2015, Rz. 368), da die Nicht-Anzeige kein Verwenden der Gelder und Ressourcen ist. Andererseits kennt bspw. der Geldwäschestraftatbestand die Variante des Verheimlichens von Tatsachen (§ 261 II StGB), das ebenfalls ohne Verwenden des zu waschenden Gegenstands denkbar ist (zum Verheimlichen durch Unterlassen s. El-Ghazi / Laustetter, NZWiSt 2021, 209, 213), der gleichwohl als Tatobjekt anzusehen ist (s. dazu El-Ghazi, GWuR 2022, 49, 50, 51). Im Fall einer Einziehung wäre § 74f I StGB (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) zu beachten.
Nicht bestraft wird nach Satz 2 der Vorschrift, „wer die Anzeige nach § 23a Absatz 1 freiwillig, vollständig und in der vorgeschriebenen Weise bei der zuständigen Behörde nachholt, wenn nicht die Tat zu diesem Zeitpunkt bereits ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste“. Als Regelungsvorbild verweist die Beschlussempfehlung auf die tätige Reue des Geldwäschers nach § 261 VIII StGB (BT-Drucks. 20/1892, 35). Eine Parallele kann auch zur strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO gezogen werden.
Den vorsätzlichen bzw. fahrlässigen Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach Abs. 2 (Logistikdienstleister) bewehrt § 19 IIa, VI mit einer Geldbuße bis zu 30.000 € bzw. 15.000 € (§ 17 II OWiG).
Vogel hat in seiner Stellungnahme für den Finanzausschuss des Bundestages Bedenken wegen der Selbstbelastungsfreiheit geltend gemacht. Bei sanktionsbetroffenem Vermögen liege eine kriminelle Herkunft regelmäßig nahe, so dass den Anzeigepflichtigen das Recht eingeräumt werden müsse, von einer Anzeige abzusehen, wenn sie ansonsten sich oder Angehörige belasten würden (Vogel, Protokoll-Nr. 20/11, S. 8 und Anlage 5, S. 3).
Eine weitere Änderung erfolgt beim Straftatbestand des § 18 I Nr. 1 Buchst. a AWG, wo klargestellt wird, dass auch Sende , Übertragungs- oder Verbreitungsverbote unter Dienstleistungsverbote fallen. Ist der GBA für AWG-Ermittlungen zuständig (§ 142a I GVG), so sollen nach dem neuen § 21 Ia AWG die Ausnahmen für die Aufgaben und Befugnisse der Zollbehörden (§ 21 I AWG) nicht gelten, so dass der GBA die Sachkenntnisse der Zollverwaltung, insbesondere des Zollkriminalamtes, auch im Bereich der stets einen auswirtschaftlichen Bezug aufweisenden Investitionskontrolle nutzen kann.
2. Wesentliche Änderungen im GwG
Die GwG-Änderungen in Art. 2 regeln u.a., dass die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen („FIU“) bei Erfüllung ihrer Aufgabe „auch an der Feststellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen“ von sanktionsbetroffenen Personen mitwirkt (§ 28 Ia GwG) und entsprechende Finanzinformationen und Finanzanalysen an die zuständigen Behörden übermittelt (§ 32 IIIb GwG). Außerdem erhält die Zentralstelle mit § 40 I 1 GwG die Befugnis, die Durchführung einer Transaktion auch bei Anhaltspunkten für einen Zusammenhang mit einer Straftat nach § 18 I AWG zu untersagen. Bisher konnte die Zentralstelle diese Sofortmaßnahme nur bei Anhaltspunkten für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung ergreifen. Der neue § 30 IIa GwG soll klarstellen, dass die Zentralstelle aus eigener Veranlassung (Sonder-)Auswertungen in Bezug auf den ihr zur Verfügung stehenden Datenbestand, insbesondere auch im Hinblick auf die ihr neu zugewiesene Aufgabe der Feststellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen von sanktionsbetroffenen Personen nach § 28 Ia GwG, durchführen kann. Eine Änderung in § 32 III 1 GwG erlaubt der Zentralstelle auch die Spontanübermittlung von Finanzinformationen und Finanzanalysen, soweit dies zur Aufklärung bzw. Bekämpfung von Gefahren und Straftaten (einschließlich Sanktionsverstößen) erforderlich ist (BT-Drucks. 20/1740, 21).
BND, ZKA sowie Bundesbank und BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) erhalten die Befugnis zum automatisierten Abruf des Transparenzregisters verbunden mit der Möglichkeit zur „Rückwärtssuche“, also der Suche anhand von Angabe zu einer Person, § 26a I Nr. 5–7 GwG.
3. Wesentliche Änderungen im KWG, WpHG und FinDAG
Die KWG-Änderungen (Art. 3) betreffen Erweiterungen und Änderungen beim Kontoabrufverfahren (§ 24c KWG). Im WpHG (Art. 4) wird eine spezialgesetzliche Befugnis der BaFin zur Anordnung sämtlicher Maßnahmen zur Durchsetzung von Handelsverboten bei Sanktionsbezug verankert (§ 14a WpHG). Die Änderungen im FinDAG (Art. 5) ermächtigen die BAFin, gegenüber ausländischen Unternehmen und Personen Verwaltungsakte öffentlich bekannt zu geben (§ 4h FinDAG).
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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