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Regierungsentwurf des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes II

Aus wistra 12/2022

Das Bundeskabinett hat am 26.10.2022 den Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz II) beschlossen, das Vorhaben für besonders eilbedürftig erklärt und dem Bundesrat zugeleitet (BR-Drucks. 541/22). Parallel dazu haben die Koalitionsfraktionen am 8.11.2022 einen identischen Entwurf in den Bundestag eingebracht (BT-Drucks. 20/4326). Der vorangegangene gemeinsame BMF-/BMWK-Referentenentwurf (s. dazu Busch, wistra 2022, H. 11 R9; Pelz, UKuR [Ukraine-Krieg und Recht] 2022, 567) war am 18.10.2022 an die Fachkreise und Verbände übermittelt worden mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis 20.10.2022. Das geplante Mantelgesetz sieht in seinem Art. 1 die Schaffung eines neuen Stammgesetzes vor („Gesetz zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen“ – SanktDG). Mit Art. 2 und 3 wird das AWG geändert, mit Art. 4 das GwG. Neue sanktionsbezogene Zuverlässigkeitsregelungen in den Finanzaufsichtsgesetzen finden sich in Art. 5 bis 22. Art. 23 regelt das Inkrafttreten.

Das Gesetz soll strukturelle Verbesserungen bei der Durchsetzung von EU-Sanktionen und der Geldwäschebekämpfung auf den Weg bringen, nachdem man mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz I vom 23.5.2022 (SDG I, BGBl. I, 754; s. dazu Busch, wistra 2022, H. 7 R8; Harings / Hillmann, UKuR 2022, 372) kurzfristig umsetzbare Maßnahme bereits realisiert habe (BR-Drucks. 541/22, 1). Dazu soll mit dem SanktDG eine Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung geschaffen werden, die Gelder und wirtschaftliche Ressourcen von gelisteten Personen ermittelt und sicherstellt. Ihre Ermittlungsergebnisse soll die Zentralstelle in ein im Internet öffentlich zugängliches Register einstellen. Außerdem überwacht sie außenwirtschaftsrechtliche Verfügungs- und Bereitstellungsverbote. Die GwG-Änderungen setzen das im Koalitionsvertrag vorgesehen Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften um und sollen für mehr Transparenz bei wirtschaftlich Berechtigten und deren Immobilien sorgen. Die AWG-Änderungen und das SanktDG regeln außerdem die Strafbewehrung von Verstößen gegen nationale und europäische Pflichten zur Meldung von sanktionsbetroffenem Vermögen. Das Vorhaben ist nicht als Schlusspunkt des Kapitels „Sanktionsdurchsetzung/Geldwäschebekämpfung“ gedacht, sondern wird von der Ankündigung weiterer Neuregelungen begleitet.


I. Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung 

Die Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (Zentralstelle) soll zunächst im BMF-Geschäftsbericht angesiedelt werden, wo Synergieeffekte vor allem zwischen der Sanktionsdurchsetzung und der Geldwäschebekämpfung zu erwarten seien, um später in die von BMF angekündigte neue Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität („Bundesfinanzkriminalamt“) überführt zu werden (BR-Drucks. 541/22, 49). Die Aufgaben der Zentralstelle sowie die Aufsicht über sie und die Zusammenarbeit mit ihr regelt § 1 SanktDG, der gegenüber dem RefE (s. dazu Busch, wistra 2022, H. 11 R9) inhaltlich weitgehend unverändert geblieben ist.

1. Verwaltungsermittlungen und Register 

Um sanktionsbetroffenes Vermögen ausfindig zu machen, kann die Zentralstelle personenbezogene Ermittlungen (§ 11 SanktDG-E) und vermögensbezogene Ermittlung (§ 12 SanktDG-E) durchführen. In beiden Fällen handelt es sich um Verwaltungsverfahren. Personenbezogene Ermittlungen gehen von gelisteten Personen aus und suchen nach deren Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen. Vermögensbezogene Ermittlungen gehen von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen aus, bei denen Anhaltspunkte für eine Verbindung zu einer gelisteten Person vorliegen. Die Ermittlungsbefugnisse sind in § 2 SanktDG-E geregelt, der im Wesentlichen dem bisherigen § 9a AWG entspricht (BR-Drucks. 541/22, 61). Danach darf die Zentralstelle insbesondere: Auskünfte und Vorlage von Unterlagen verlangen (§ 2 II Nr. 1 SanktDG-E), Personen vorladen und vernehmen (§ 2 II Nr. 2 SanktDG-E), Unterlagen und Gegenstände sicherstellen (§ 2 II Nr. 3 SanktDG-E), Geschäfts , Betriebs- und Wohnräume betreten (§ 2 II Nr. 4, III SanktDG-E) und durchsuchen (§ 2 II Nr. 5 SanktDG-E) sowie Einsicht in das Grundbuch und andere Register nehmen (§ 2 II Nr. 6 SanktDG-E). Durchsuchungen muss – außer bei Gefahr im Verzug – das AG im FamFG-Verfahren anordnen (§ 2 IV SanktDG-E). Auskunftsverweigerungsrechte sind in § 2 V 3, 4 SanktDG-E geregelt. Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen der Zentralstelle zur Erteilung von Auskünften oder Vorlage von Unterlagen sollen zukünftig mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 € bewehrt sein (§§ 2 II Nr. 1, 17 SanktDG-E).

Ergeben ihre Ermittlungen, dass Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen Verfügungsbeschränkungen unterliegen, so nimmt die Zentralstelle diese Informationen in das von ihr zu führende Register auf (§§ 11 IV, 12 III, 14 SanktDG-E) und veröffentlicht sie auf ihrer Internetseite (§ 14 III 2 SanktDG-E). Haben die Ermittlungen keine Verfügungsbeschränkung ergeben, wird das Verfahren beendet (§§ 11 V, 12 IV SanktDG-E). Bei personenbezogenen Ermittlungen ist allerdings zunächst auf vermögensbezogene Ermittlungen überzugehen, wenn bei Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen ein Eigentümer oder wirtschaftlich Berechtigter unbekannt geblieben ist oder Zweifel an der wirtschaftlichen Berechtigung bestehen (§ 11 VI SanktDG-E). Führen auch diese Ermittlungen nicht weiter, so sollen die Informationen zu den Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen in das Register aufgenommen werden (§§ 12 V, 14 I Nr. 3 SanktDG-E). Anders als noch im RefE setzt die Eintragung in diesem Fall aber voraus, dass es sich um erhebliche Vermögenswerte handelt (d.h. mit einem Wert von mehr als 100.000 € zum Eintragungszeitpunkt), § 14 II SanktDG-E. Außerdem verlangt der RegE als Eintragungsvoraussetzung „nachvollziehbare Hinweise“ auf eine Kontrolle der Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen durch gelistete Personen sowie durch Tatsachen begründete Zweifel an der Eigentümerschaft oder wirtschaftlichen Berechtigung anderer, nicht gelisteter Personen (§ 14 I Nr. 3 SanktDG-E). Der RegE sieht anders als der RefE auch keine Internetveröffentlichung der Informationen zu diesen Fällen vor (§ 14 III 2 SanktDG-E).

Ergeben die Ermittlungen Hinweise auf Straftaten, muss die Zentralstelle unverzüglich die Strafverfolgungsbehörden informieren (§§ 11 VII, 12 VII SanktDG-E). Stößt die Zentralstelle auf Unstimmigkeiten bei den Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten, informiert sie das Transparenzregister (§ 12 VI SanktDG-E).

2. Sicherstellung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen 

Die Befugnisse zur und die Modalitäten der Sicherstellung sind in §§ 3, 4 SanktDG-E geregelt und gegenüber dem RefE weitgehend unverändert geblieben.

3. Überwachung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen 

Nach dem im Wesentlichen ebenfalls unverändert gebliebene § 9 SanktDG-E kann die Zentralstelle ihre Befugnisse (insbesondere Anordnung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen, Teilnahme an Beratungen der Organe der Betroffenen, Betreten von Geschäftsräumen) nutzen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass gegen Bereitstellungs- oder Verfügungsverbote verstoßen worden ist oder ein solcher Verstoß unmittelbar bevorsteht. Nach § 9 III SanktDG-E kann sie Überwachungsmaßnahmen durch Dritte („Sonderbeauftragte“) durchführen lassen. Zur Übernahme solcher Aufgaben sollen „im Regelfall Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte oder Unternehmensberatungen bzw. entsprechende Gesellschaften geeignet sein, die insbesondere über die erforderliche sanktions-rechtliche Expertise verfügen“ (BR-Drucks. 541/22, 64).

4. Clearingstelle und Zusammenarbeit 

Zu dem vorgesehenen Betrieb einer Clearingstelle zur Koordinierung von Einzelfällen (§ 1 I Nr. 5 SanktDG-E) trifft auch der RegE keine weiteren Regelungen. Der im RefE (dort § 5 IV SanktDG-E) vorgesehene Datenabgleich mit dem polizeilichen Informationsverbund (§ 29 I, II BKAG) fehlt im Regierungsentwurf. Gerichte und Staatsanwaltschaften dürfen Informationen aus AWG-Strafverfahren nach § 7 SanktDG-E an die Zentralstelle übermitteln. Die Zentralstelle kann ihrerseits Daten insbesondere für Zwecke der Strafverfolgung übermitteln (§ 6 I Nr. 2 SanktDG-E), wobei der Regierungsentwurf vorsieht, dass dies unterbleibt, soweit die Weitergabe der Daten unverhältnismäßig wäre (§ 6 I 2 SanktDG-E). Die im RefE (dort Art. 14 SDG II-E) vorgesehene Änderung der Bundesmeldedatenabrufverordnung ist im RegE nicht mehr enthalten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Zentralstelle ist in § 5 SanktDG-E geregelt.

5. Strafbewehrte Meldepflichten 

a) Nationale Meldepflicht 

Die Melde- und Zusammenarbeitspflichten gelisteter Personen werden in § 10 SanktDG neu geregelt. Danach müssen gelistete Personen unverzüglich ihre in Deutschland befindlichen Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen angeben und bei der Überprüfung mit der Zentralstelle zusammenarbeiten. Die bisherige Meldepflichtvorschrift des § 23a AWG (s. dazu Busch, wistra 2022, H. 7 R8) wird aufgehoben (Art. 2 Nr. 9 SDG II; Übergangsregelung für nach § 23a AWG erfolgte Meldungen in § 10 V SanktDG-E). Damit entfällt zugleich die bisherige bußgeldbewehrte Meldepflicht für Logistikdienstleister (§§ 23a II, 19 III Nr. 2a AWG). Maßgeblich für Informationspflichten Dritter sind die europarechtlich unmittelbar geltenden Informationspflichten wie bspw. Art. 8 I VO (EU) 269/2014 (BR-Drucks. 541/22, 65, 69).

Meldungen nach § 10 SanktDG-E sind gegenüber der Zentralstelle abzugeben (§ 10 I Nr. 1 SanktDG-E). Die Meldepflicht kann aber auch durch eine Meldung bei der Bundesbank oder dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erfüllt werden (§ 10 I 3 SanktDG-E). Zentralstelle, Bundesbank und BAFA unterrichten sich gegenseitig über eingegangene Meldungen (§ 10 III SanktDG-E, § 24 IV AWG-E). Die Meldung darf nicht anonym erfolgen und muss Angaben zu Art und Wert der gemeldeten Gelder und Vermögenswerte enthalten (§ 10 II SanktDG-E).

Die Strafbewehrung der Meldepflicht erfolgt mit § 16 SanktDG-E nach Vorbild des bisherigen § 18 Vb AWG (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe) einschließlich einer Strafbefreiung bei freiwilligem Nachholen der Meldung vor Tatentdeckung (wobei sich die Frage stellt, ob mit einer nach § 11 II SanktDG-E bei personenbezogenen Ermittlungen vorgesehenen Aufforderung zur Meldung die Tat entdeckt bzw. die Freiwilligkeit ausgeschlossen ist). Eine Versuchsstrafbarkeit wird nicht vorgesehen. Tatwerkzeug- und Tatobjekteinziehung sowie das Strafanwendungsrecht werden gleichlautend zu §§ 18 X, 20 AWG in § 18 bzw. § 16 II SanktDG geregelt.

§ 16 SanktDG-E soll (im Gegensatz zu §§ 17, 18 AWG) nicht in den Katalog des § 76a IV 3 StGB (selbständige Einziehung, s. dort Nr. 5), des § 74c I GVG (Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer, s. dort Nr. 3), des § 100a II StPO (Telekommunikationsüberwachung, s. dort Nr. 6) und des § 443 I StPO (Vermögensbeschlagnahme, s. dort Nr. 3) aufgenommen werden. 

b) Europäische Meldepflicht 

Die nationale Meldepflicht nach § 10 I SanktDG entfaltet „nur insoweit eine eigenständige Regelungswirkung, als dass keine vorrangig zu beachtende EU-Meldepflicht besteht“ (BR-Drucks. 541/22, 65). Eine solche Meldepflicht besteht derzeit nach Art. 9 II VO (EU) 269/2014 für die besonders weitreichenden EU-Russland-Sanktionen (BR-Drucks. 541/22, 65; s. dazu Busch, wistra 2022, H. 10 R9). Ihre Bewehrung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe soll zukünftig in § 18 Va AWG-E verortet werden (Art. 3 Nr. 1 SDG II-E). Ein strafbefreiendes Nachholen der Meldung soll auch hier möglich sein (§ 18 XIII AWG-E, Art. 3 Nr. 4 SDG II). Die bisherige Versuchsstrafbarkeit entfällt (§ 18 VI AWG-E, Art. 3 Nr. 3 SDG II-E). Die Regelung im RefE (dort § 10 II SanktDG-E), dass auch die europäische Meldepflicht gegenüber der Zentralstelle zu erfüllen ist, fehlt im RegE. Zuständig für die Entgegennahme der Meldung sind demnach das BAFA bzw. die Bundesbank (§ 13 I, II Nr. 1 AWG), die die Zentralstelle über eingehende Meldungen zu unterrichten haben (§ 10 IV SanktDG-E). Fraglich ist, wie sich eine versehentlich (nur) an die Zentralstelle gerichtete Meldung auf die Strafbarkeit auswirkt. Die europäische Meldepflicht wird für Deutschland erst zum 1.1.2023 in Kraft treten (s. Art. 9[5] VO [EU] 269/14), dann aber die nationale Meldepflicht überlagern. Daher sieht die Inkrafttretensregelung (Art. 23 SDG II-E) zur Vermeidung einer Strafbarkeitslücke vor, dass Art. 3 SDG-E mit seiner Strafbewehrung der europäischen Meldepflicht in § 18 Va, XIII AWG-E zu diesem Zeitpunkt in Kraft tritt. Anders als im RefE sind die entsprechenden AWG-Regelungen nicht mehr in Art. 2 SDG II-E, sondern in einem eigenen Art. 3 SDG-II-E als „Weitere Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes“ enthalten.

Meldepflichtige gelistete Personen dürften sich häufig nicht im Inland befinden, so dass sich bei unterlassenen Meldungen die Frage nach Tatort und Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts stellt. Nach der Begründung des RegE ist „Handlungsort einer unterlassenen Meldung, einem echten Unterlassungsdelikt, ... neben dem Aufenthaltsort des Unterlassungstäters auch der Vornahmeort, also der Ort, an dem der Täter hätte handeln müssen (vgl. z.B. BVerfG StV 2017, 236)“ (BR-Drucks. 541/22, 67, 71). 

Dass sich gelistete Personen, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, einem Strafverfahren in Deutschland stellen, erscheint eher unwahrscheinlich, so dass Ermittlungsverfahren häufig einzustellen sein werden (vgl. Nr. 104 RiStVB). In Betracht kommt in solchen Fällen der Flucht bzw. Abwesenheit eine selbständige Einziehung gem. § 76a I StGB. Dabei ist insbesondere eine Tatobjekteinziehung (§§ 74 II, 74a StGB) denkbar, die §§ 16, 18 SanktDG-E bzw. § 18 Va AWG-E i.V.m. § 20 I Nr. 1, II AWG bei strafbaren Nicht-Meldungen zulassen. Tatobjekte (§ 74 II StGB) sind Gegenstände, auf die sich die Tat nur bezieht und die notwendigerweise den Gegenstand der Tat bilden, ohne Tatmittel zu sein (LK/StGB/Lohse, 13. Aufl. 2020, § 74 Rz. 21). Darunter dürften auch nicht gemeldete Gelder und wirtschaftliche Ressourcen fallen. Zwar werden Tatobjekte vor allem als Gegenstände verstanden, deren Verwendung zur Erfüllung des Tatbestands notwendig ist (vgl. Schmidt, Vermögensabschöpfung, 2. Aufl. 2019, Rz. 368) und das Nicht-Melden stellt nicht ohne weiteres ein Verwenden der Gelder und Ressourcen dar. Sie sind aber Bezugspunkt der Tat und ohne sie kann der Tatbestand nicht verwirklicht werden. Eine Tatobjekteinziehung darf allerdings nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f I StGB). 
 

Bei Straftaten nach § 18 AWG (einschließlich der Nicht-Meldung nach § 18 Va AWG-E) ist auch eine Einziehung nach § 76a IV StGB zulässig, wenn der Vermögensgegenstand deswegen zuvor sichergestellt worden ist (§ 76a IV 3 Nr. 5 StGB). Allerdings hat die Einziehung nach § 76a I StGB (die insbesondere in Abwesenheitsfällen möglich ist) Vorrang (Eser / Schuster in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, § 76a StGB Rz. 16). Anders dürfte sich die Situation darstellen, wenn man Vermögenswerte gelisteter Personen zunächst in einem Verfahren wegen § 18 Va AWG-E sicherstellt, sie dann aber nicht als Tatobjekte einer strafbaren Nicht-Meldung einziehen will, sondern eine Einziehung gem. § 76a IV StGB darauf stützt, dass der sanktionsbetroffene Gegenstand aus (anderen) rechtswidrigen Taten herrührt, was freilich nachgewiesen werden müsste (zu den geplanten sanktionsstraf- und einziehungsrechtlichen Regelungen der EU s. van Ballegooij, eucrim 2022, 146; Busch, wistra 2022, H. 7 R8, H. 8 R7; Kilching, eucrim 2022, 136, 141; Kokott, UKuR 2022, 509; Rath / Ruff, EuZW 2022, 692; zur Einziehung bei AWG-Straftaten s. Albrecht, jurisPR-StrafR 13/2022 Anm. 2). 

6. Hinweisannahmestelle 

Die Zentralstelle soll (nach dem Vorbild der EU-Hinweisgeberstelle) eine Stelle zur Annahme von Hinweisen auf Sanktionsverstöße einrichten (§ 15 I SanktDG-E, der gegenüber dem RefE nur unwesentlich verändert wurde). Der dabei nach § 15 II SanktDG-E vorgesehene Schutz der Identität von hinweisgebenden Personen gilt insbesondere nicht, wenn eine Weitergabe im Kontext eines Strafverfahrens erforderlich wird. Hinweise können auch anonym abgegeben werden (§ 15 I 2 SanktDG-E). Repressalienverbot und Haftungsfreistellung finden sich in § 15 V SanktDG-E.

 

II. Unmittelbare Anwendbarkeit von EU-Listungen 

Neben den oben bereits genannten AWG-Änderungen sieht ein neuer § 5a AWG-E (Art. 2 Nr. 2 SDG II-E) vor, das eine Listung auf VN-Ebene im Inland automatisch für anwendbar erklärt wird. Damit sollen zeitliche Lücken bei der Umsetzung von VN-Neulistungen vermieden werden.

 

III. Barzahlungsverbot bei Immobilienerwerb 

Die Änderungen im GwG (Art. 4 SanktDG-E) setzen insbesondere das im Koalitionsvertrag vorgesehene Barzahlungsverbot bei Immobilienerwerb um (zu der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Barzahlungsobergrenze s. Gentzsch, BKR 2022, 693). Die bei Immobiliengeschäften geschuldete Gegenleistung kann danach nur noch mittels anderer Mittel als Bargeld, Kryptowerten oder Rohstoffen bewirkt werden (§ 16a I GWG-E; Definition von Immobilien und Rohstoffen in § 1 VIIa bzw. XXXI GwG-E). Die Regelung gilt auch für Share Deals, also den Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen mittelbar oder unmittelbar eine inländische Immobilie gehört (§ 16a I 2 GwG-E). Anders als noch im RefE ist dabei nicht mehr erforderlich, dass mehr als 25 % der Anteile erworben werden. Der Hinweis, dass unter das Barzahlungsverbot nicht nur die Bargeldübergabe an den Verkäufer, sondern auch die Bargeldeinzahlung auf dessen Bankkonto fällt, findet sich nicht mehr in der Begründung des RegE (im RefE s. S. 69). Einzahlungen auf ein Bankkonto der Gerichtskasse sollen bei Zwangsversteigerungen von Immobilien dagegen zukünftig unzulässig sein (§ 49 III ZVG-E, Art. 21 SDG II). Die im RefE (dort § 19a BeurkG-E, Art. 11 SDG II-E) vorgesehene Regelung, dass der Notar die Beteiligten auf das Barzahlungsverbot hinweisen und dies in der Niederschrift vermerken soll, ist im RegE entfallen. Die Beteiligten sind ohnehin im Rahmen der allgemeinen Belehrungspflicht über das Barzahlungsverbot einschließlich dessen zivilrechtlichen Auswirkungen und den sich ergebenden Nachweispflichten zu belehren (BR-Drucks. 541/22, 73).

Wenn der Käufer entgegen dem Verbot doch mit Bargeld bezahlt, würde er nach den zivilrechtlichen Regelungen seine Leistung nicht zurückfordern können (§§ 815, 817 S. 2 BGB). Der Verkäufer könnte das Bargeld behalten und eine erneute, unbare Zahlung des Kaufpreises verlangen. Um dieses „unbillige Ergebnis“ zu verhindern, ordnet § 16 I 3 GwG-E an, dass §§ 815, 817 S. 2 BGB nicht anzuwenden sind und das Bargeld herausverlangt werden kann. Die in einer solchen Situation denkbare Aufrechnung der Forderung auf Rückgabe des übertragenen Bargelds mit der noch offenen Kaufpreisforderung ist ausgeschlossen (BR-Drucks. 541/22, 73).

Zur Überwachung des Barzahlungsverbots soll der Antrag auf Eintragung ins Grundbuch zukünftig einem grundsätzlichen Notarzwang unterliegen (§ 13 I GBO-E; Art. 15 Nr. 2 SDG II) und erst gestellt werden, wenn die Beteiligten gegenüber dem Notar die unbare Zahlung nachgewiesen haben (§ 16a II, III GwG-E). Die Pflicht entfällt bei Beträgen unter 10.000 € und bei Nutzung eines Notar-Anderkontos (§ 16a V 1 GwG-E). Sie gilt auch nicht bei Share Deals gem. § 16a I 2 GwG-E (BR-Drucks. 541/22, 75). Als Nachweis sind insbesondere Zahlungsbestätigungen von Banken geeignet (§ 16a II 2 GwG-E), was elektronische Kontoauszüge und elektronische Zahlungseingangsbestätigungen einschließt (BR-Drucks. 541/22, 74). Verringert sich der Kaufpreis nach erfolgter notarieller Beurkundung etwa infolge einer Minderung, so prüft der Notar auch insoweit die Schlüssigkeit der dargelegten Umstände (BR-Drucks. 541/22, 74). Ändern die Vertragsparteien nach einer bindenden Auflassung den Kaufpreis, so hätten sie das nach dem RefE (dort § 16a II HS 2 GwG-E) notariell beurkunden lassen müssen, damit der Notar Kenntnis davon bekommt und seiner Prüfpflicht nachkommen kann (RefE, S. 70 f.). Nach dem RegE haben die Beteiligten dem Notar nur noch übereinstimmende Erklärungen zu solchen Änderungen vorzulegen (§ 16a II 3 GwG-E). Ist bis auf einen Betrag von maximal 10.000 € die unbare Zahlung schlüssig nachgewiesen, so soll im Sinne einer Bagatellgrenze der schlüssige Nachweis insgesamt als erbracht gelten (§ 16a V 2 GwG-E, BR-Drucks. 541/22, 75).

Hat der Notar die Schlüssigkeit des Nachweises festgestellt, darf er den Eintragungsantrag stellen (§ 16a III 2 Nr. 1 Buchst. a GwG-E). Aber selbst wenn ein schlüssiger Nachweis fehlt und auch auf Aufforderung nicht vorgelegt wird, darf der Eintragungsantrag gestellt werden (keine Vollzugsperre); der Notar muss dann aber zuvor eine Geldwäscheverdachtsmeldung abgeben und die 3-Tages-Frist des § 46 GwG abwarten (§ 16a III 2 Nr. 1 Buchst b, Nr. 2 GwG-E). Ein entsprechender Meldetatbestand soll in der GwGMeldV-Immobilien noch geschaffen werden (BR-Drucks. 541/22, 75).

Der an die Eintragung gekoppelte Überwachungsmechanismus greift nicht, wenn die Zahlung erst nach Eintragung fällig wird. In diesen Fällen ist die Eintragung vorzunehmen und der Notar hat die Schlüssigkeit innerhalb einer angemessenen Zeit nach Fälligkeit zu prüfen (§ 16a IV 1 GwG-E – „nachlaufende Prüfpflicht“). Die im RefE (dort § 16a II HS 1 GwG-E) noch vorgesehene (klarstellende) Regelung, dass entsprechende Vorleistungsvereinbarungen zukünftig stets der notariellen Beurkundung bedürfen, ist entfallen. Der RegE sieht aber nunmehr vor, dass die Beteiligten den Notar über die zur Bestimmung der Fälligkeit erforderlichen Umstände ggf. nachträglich informieren müssen (§ 16 IV 3 SanktDG-E). Für den Fall, dass ein schlüssiger Nachweis ausbleibt, soll wiederum ein Meldetatbestand in die GwGMeldV-Immobilien eingefügt werden (BR-Drucks. 541/22, 75). Die Prüfpflicht entfällt, wenn die Gegenleistung erst zwei Jahre nach Eintragung zu erbringen sein sollte (§ 16a IV 7 GwG-E). Nach dem RegE besteht die nachlaufende Prüfpflicht außerdem auch dann nicht, wenn nach der Vertragsgestaltung ein Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung ausgeschlossen erscheint (§ 16 V 3 GwG-E).

Auf Rechtsgeschäfte, die vor dem 1.4.2023 geschlossen wurden, findet das Barzahlungsverbot keine Anwendung (§ 59 XI GwG-E).

 

IV. Transparenz der wirtschaftlich Berechtigten 

(1) Eine Verknüpfung von Immobiliendaten mit dem Transparenzregister sehen §§ 19a, 19b GwG-E vor. Danach sollen im Transparenzregister zukünftig auch Angaben zu Immobilien zugänglich sein, insbesondere zu Art und Umfang der eigentums- oder teileigentumsrechtlichen Beziehung zum Grundstück sowie zu Beginn und Ende der rechtlichen Beziehung. Die Grundbuchämter sollen die dazu erforderlichen Daten zu allen bei ihnen geführten Grundbuchblättern an das Transparenzregister übermitteln und aktualisieren (§ 19b GwG-E).

Das Transparenzregister kann Grundbuchdaten allerdings nur dann zuordnen, wenn eine immobilienhaltende Gesellschaft auch tatsächlich im Transparenzregister eingetragen ist. Damit dies auch bei ausländischen Gesellschaften gewährleistet ist, sind nach § 20 I 2 GwG-E ausländische Gesellschaften mit Immobilieneigentum in Deutschland zukünftig zur Eintragung in das Transparenzregister verpflichtet. Bisher galt dies nur für Neuerwerbsfälle. Die Änderung dehnt diese Pflicht – auch in Bezug auf den Erwerb im Rahmen des sog. Share Deals – auf die Bestandsfälle aus (BR-Drucks. 541/22, 77).

Der geplante Abgleich mit den Grundbuchdaten dürfte auch ans Licht bringen, welche aus- und inländischen immobilienhaltenden Unternehmen ihre Eintragung ins Transparenzregister bisher versäumt haben (Ordnungswidrigkeit gem. § 56 I Nr. 55 Buchst. d. GwG).

(2) Im RegE gestrichen wurden der im RefE vorgesehene § 19c GwG-E (Transparenzregistermitteilungen durch Notare; s. dazu Busch, wistra 2022, H. 11 R9).

(3) Kann kein wirtschaftlich Berechtigter ermittelt werden, gilt nach § 3 II 5 GwG „der gesetzliche Vertreter, der geschäftsführende Gesellschafter oder der Partner“ als wirtschaftlich Berechtigter („fiktiver wirtschaftlich Berechtigter“). Bei einer entsprechenden Eintragung im Transparenzregister bleibt bisher offen, ob sie erfolgt, weil es tatsächlich keinen wirtschaftlich Berechtigten gibt (was etwa bei „Streueigentum“ der Fall ist) oder weil wegen fehlender Informationen der wirtschaftlich Berechtigte nicht ausfindig gemacht werden konnte (was ein risikorelevanter Unterschied ist). Welcher dieser beiden Fälle vorliegt, soll nun angegeben werden müssen (§ 19 III GwG-E).

 

V. Zuverlässigkeitsregelungen in Finanzaufsichtsgesetzen 

Änderungen sollen erfolgen im KWG (Art. 5 SDG II-E), ZDAG (Art. 6 SDG II-E), VAG (Art. 7 SDG II-E), WpIG (Art. 8 SDG II-E), WpHG (Art. 9 SDG II-E), KAGB (Art. 10 SDG II-E), BörsG (Art. 11 SDG II-E) und FinDAG (Art. 10 SDG II-E). 

Mit den Änderungen der Finanzaufsichtsgesetze soll in allen Finanzaufsichtsbereichen für natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften, die selbst in einer EU-Sanktionsliste aufgeführt sind, künftig eine Fiktion der Unzuverlässigkeit greifen.

 

VI. Ausblick 

In ihrem gemeinsamen Schreiben vom 18.10.2022 an die Verbände und Fachkreise zur Versendung des RefE haben BMF und BMWK folgende weitere Änderungen „über die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen hinaus“ in Aussicht gestellt:

  • Verknüpfung des Registers zum Vermögen sanktionierter Personen (§ 14 SanktDG-E) mit anderen Registern und weitere Registerverknüpfungen;
  • Immobilientransaktionsdatenbank, die aus notariellen Beurkundungen gespeist werden soll und auf die u.a. die Strafverfolgungsbehörden „volldigitalen Zugriff“ haben sollen;
  • aktuelle Angaben in Registern für Immobilien und Unternehmen über die wirtschaftlich Berechtigten bzw. Verlinkung der Register zu diesen Angaben;
  • weitere Befugnisse bei unklarer Kontrolle über Vermögensgegenstände einschließlich weitgehender Verfügungsbeschränkung oder Eigentumsentzug im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen;
  • Umsetzung von FATF-Empfehlungen einschließlich Aufbau einer neuen Bundesbehörde sowie Stärkung der Ermittlungen bei komplexen und internationalen Geldwäschefälle und Verbesserung der Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor.

Am 28.11.2022 hat der EU-Rat die Aufnahme des Verstoßes gegen restriktive Maßnahmen der Union in die Kriminalitätsbereiche nach Art. 83(1) AEUV und damit eine entsprechende Ausweitung der Strafgesetzgebungskompetenz beschlossen.

Bundesjustizminister Buschmann hat sich gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Dupond-Moretti dafür ausgesprochen, dass zukünftig die Europäische Staatsanwaltschaft für die Verfolgung der auf dieser Grundlage zu harmonisierenden strafbaren Verstöße gegen EU-Sanktionen zuständig sein soll.

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


Verlag C.F. Müller

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