aus wistra 4/2025
Seit Anfang des Jahres laufen die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament (EP) zu dem Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption (COM[2023]234 final). Nachdem über den Kommissionsvorschlag und die Allgemeine Ausrichtung des Rats bereits berichtet worden ist, soll nun die EP-Position dargestellt werden.
Zum Kommissionsvorschlag s. Busch, wistra 2023, Register S. 49; El-Ghazi/Wegner/Zimmermann, wistra 2023, 353, 357; Friedrich /Gierok, NZWiSt 2024, 165, 170; Jansen, wistra 2024, 1; Zimmermann, ZfIStW 2023, 383, EuCLR 2024, 27; Stellungnahme des Bundesrats (BR-Drucks. 244/23 [Beschluss]); Wortprotokoll der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 13.11.2023 (Protokoll-Nr. 20/75); Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (46/2023); Stellungnahme des Deutschen Richterbunds (33/2023). Zur Allgemeinen Ausrichtung des Rats s. Busch, wistra 2024, Register S. 57 ff. Der federführende EP-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) hatte seinen Bericht bereits im Februar 2024 (also noch vor den Wahlen zum EP am 9.6.2024) dem Plenum vorgelegt (Bericht A9-0048/2024) und beschlossen, auf dieser Grundlage in die Verhandlungen mit Rat und Kommission einzutreten (s. Art. 72 EP-Geschäftsordnung). Diese Entscheidung wurde von dem neu gewählten Parlament am 13.11.2024 bestätigt (s. EP-Dokument P10_PV[2024]11-13, S. 5, 25), so dass der Vorgang nicht der Diskontinuität anheimgefallen ist (s. Art. 250 [Unerledigte Angelegenheiten] der EP-Geschäftsordnung). Dass die Verhandlungen erst 2025 begannen, geht auf Vorbehalte vonseiten des EP gegenüber der vorherigen ungarischen Ratspräsidentschaft zurück („No fox in the henhouse“, hieß es dazu in der Pressemitteilung der niederländischen EP-Berichterstatterin Raquel García Hermida-Van Der Walle [RENEW-Fraktion] vom 4.12.2024).
Das Ratssekretariat hat den Kommissionsvorschlag und die Versionen mit den kenntlich gemachten Änderungen von EP und Rat in einem Vier-Spalten-Dokument einander gegenübergestellt (Ratsdokument 5772/25, das nur in englischer Sprache vorliegt; Kommissionsvorschlag, Allgemeine Ausrichtung [Ratsdokument 11272/24] und der EP-Bericht liegen aber getrennt jeweils auch auf Deutsch vor; die folgenden Verweise auf „Zeilen“ beziehen sich auf die nummerierten Zeilen des Vier-Spalten-Dokuments). Die noch leere vierte Spalte („Draft Agreement“) dieser Synopse soll im Laufe der Trilogverhandlungen nach und nach mit Kompromissformulierungen befüllt werden, wobei Zwischenschritte nicht proaktiv veröffentlicht werden (zu den Gründen s. Schiffbauer/Schweyer, JuS 2024, 1097, 1104; veröffentlichte Teileinigungen könnten öffentlichen Druck erzeugen und einen Gesamtkompromiss deutlich erschweren). Bezugspunkt für die EP-Änderungsvorschläge ist der Kommissionsvorschlag. Wo das EP keine Änderungen vorschlägt, macht es sich also den Kommissionsvorschlag und nicht die davon ggf. abweichende Allgemeine Ausrichtung zu eigen.
Der Trilog ist im Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geregelt. Das dort vorgesehene Verfahren sieht bis zu drei Lesungen der Ko-Gesetzgeber (EP und Rat) vor sowie erforderlichenfalls ein Vermittlungsverfahren zwischen zweiter und dritter Lesung, für das ein dem deutschen Recht (Art. 72 Abs. 2 GG) nachempfundener Vermittlungsausschuss zusammentritt (Schiffbauer/Schweyer, JuS 2024, 1097, 1098). Das Trilogverfahren lässt sich vielleicht am besten als ein vorweggenommenes informelles Vermittlungsverfahren beschreiben. Rat und EP einigen sich unter Beteiligung der Kommission auf eine Kompromissfassung der Richtlinie, die dann von den beiden Ko-Gesetzgebern jeweils in erster Lesung angenommen wird, so dass sich weitere Lesungen und ein formelles Vermittlungsverfahren erübrigen (zur Gegenüberstellung von Gesetzgebungsverfahren in „Theorie und Praxis“ s. die instruktive Darstellung von Schiffbauer/Schweyer, JuS 2024, 1097, 1098). Auf Seiten des Rats führt die Präsidentschaft die Trilogverhandlungen. Die übrigen Mitgliedstaaten sitzen also nicht am Verhandlungstisch. Die Präsidentschaft unterrichtet sie aber in einer Ratsarbeitsgruppe bzw. im Ausschuss der Ständigen Vertreter über die Verhandlungen und stimmt dort auch zuvor die Verhandlungspositionen ab. Verhandelt wird auf Fachebene in interinstitutionellen Sitzungen („interinstitutional technical meetings“) sowie auf politischer Ebene im politischen Trilog. Die Kommission sieht sich im Trilog als „ehrlicher Makler“, der zwischen Rat und EP vermittelt und bei der Ausarbeitung von Kompromissformulierungen fachlich unterstützt. Tatsächlich verfolgt die Kommission aber auch eine eigene Agenda, da sie den Richtlinienvorschlag vorgelegt hat und sie in aller Regel möglichst viel davon in dem angenommenen Rechtsakt wiederfinden möchte (s. EP Research Service, Understanding Trilogue, 2021, S. 8). Sie dürfte daher zu der Seite tendieren, die näher bei ihrem eigenen Vorschlag liegt (im materiellen Strafrecht also meist zum EP). Die Kommission nimmt an den Ratsgremien teil, in der die Verhandlungsposition des Rats abgestimmt und festgelegt wird, was rote Linie und was Verhandlungsmasse ist. Zugleich hält sie den Kontakt zum EP und kann in dieser Doppelfunktion Verhandlungstaktiken des Rats auch unterlaufen. Die Entscheidung, ob und in welcher Fassung der von der Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag angenommen wird, liegt bei Rat und EP als Ko-Gesetzgeber. Die Kommission hat also kein Mitentscheidungs- oder Vetorecht, sie könnte aber, falls die Ko-Gesetzgeber im Trilog über ihren Kopf hinweg entscheiden sollten, einen Richtlinienvorschlag wieder zurückziehen und damit dem Gesetzgebungsverfahren die Grundlage nehmen (EP Research Service, Understanding Trilogue, 2021, S. 8.).
1. Korruptionsprävention
Das EP möchte die Präventionsvorschriften (Art. 2[1][8], Zeilen 56, 59g; Art. 3, Zeilen 69 ff., Art. 6[1a], Zeile 92a) auch auf „Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen“ der EU erstrecken, wofür spricht, dass es gerade Korruptionsfälle in den EU-Institutionen waren, die die Kommission zu einer kurzfristigen Vorlage ihres Richtlinienvorschlags bewogen hatten. Andererseits sind Richtlinien an die Mitgliedstaaten gerichtet (Art. 288 AEUV), so dass fraglich ist, ob in einem solchen Rechtsakt auch Regelungen für EU-Stellen getroffen werden können. Der Kommissionsvorschlag selbst sieht bestimmte Aufgaben und Befugnisse für die Kommission vor, die aber eher begleitenden und unterstützenden Charakter haben (s. z.B. Art. 25[3], Zeile 214 ff. zu dem von der Kommission betriebenen EU-Netz zur Korruptionsbekämpfung) und nicht mit einem Präventionsregelwerk für EU-Stellen gleichgesetzt werden können.
Weiter will das EP durch seine Änderungsvorschläge die ohnehin schon dichten Korruptionspräventionsvorgaben um zahlreiche weitere detaillierte Bestimmungen anreichern. Zu den vorzuhaltenden „wichtigen Präventionsinstrumenten“ gehören danach unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung erstellte Korruptionsbekämpfungsaktionspläne und -strategien (Art. 3[3][a], Zeile 72a), „wirksame Vorschriften“ für die Offenlegung von und den Umgang mit Interessenkonflikten (Art. 3[3][c], Zeile 72c), für die regelmäßige und risikobasierte Offenlegung und Überprüfung von Vermögenswerten öffentlicher Bediensteter (Art. 3[3][d], Zeile 72d), für die Interaktion zwischen Behörden und Interessenvertretern (Art. 3[3][e], Zeile 72e ff.) einschließlich der Veröffentlichung von Informationen über solche Kontakte und für die Unterbindung des Verkaufs von Visa und Staatsbürgerschaften (Art. 3[3][g], Zeile 72l). Außerdem fordert das EP Regelungen zur Wahlkampf- und Parteienfinanzierung (Art. 3[3c], Zeile 72o) und eine angemessene Beamtenbesoldung (Art. 3[4b], Zeile 75b). Aufgaben, Autonomie und Amtsleitung der für die Korruptionsprävention zuständigen Behörden werden in Art. 4(1)(3) (Zeilen 70 ff., 84 ff.) minutiös geregelt. Diese Behörden sollen nach dem Willen des EP u.a. auch die Parteienfinanzierung (Art. 4[1][b], Zeile 82c) und den Umgang mit Interessenkonflikten in Staat und Wirtschaft (Art. 4[1][c], Zeile 82d) überwachen. Sie müssen unabhängig und autonom sein und von einer transparent ausgewählten und ernannten Behördenleitung geführt werden. Mehr noch als beim Kommissionsvorschlag stellt sich dadurch die Frage, ob die strafrechtliche Rechtsgrundlage des Art. 83(1) AEUV solche weit ausgreifenden Präventionsregelungen trägt. Für die vorzuhaltenden spezialisierten Korruptionsstrafverfolgungsbehörden gelten die Unabhängigkeits- und Autonomieanforderungen entsprechend (Art. 4[2][3], Zeilen 83, 84 ff.).
2. Korruptionsstraftatbestände
Bei der Bestechung im öffentlichen Sektor (Art. 7, Zeile 94 ff.) macht sich das EP (von redaktionellen Änderungen abgesehen) den Kommissionsvorschlag zu eigen, verzichtet also auf die Beschränkung auf „ungerechtfertigte Vorteile“, wie sie der Rat in seiner Allgemeinen Ausrichtung vorgesehen hatte (Zeilen 94 ff.). Die Regelung gilt nicht nur für Amtsträger, sondern auch für Mandatsträger, die in Art. 2(3) definiert sind und die nach dem Willen des EP den Amtsträgern angeglichen werden sollen („assimilated“, Zeile 59f), allerdings nicht „im Einklang mit dem nationalen Recht“, wie dies die Allgemeine Ausrichtung des Rats fordert. Auch die funktionale Amtsträgerdefinition will das EP erweitern und es ausreichen lassen, dass einer Person öffentliche Aufgaben übertragen werden oder sie solche Aufgaben wahrnimmt oder sie mit Aufgaben im öffentlichen Interesse betraut wird oder für einen öffentlichen Dienst verantwortlich ist (Art. 2[3][b][5], Zeilen 60, 65). Es käme damit nur noch auf die tatsächliche Aufgabenerfüllung an ohne das Erfordernis eines Bestellungsakts, den § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB verlangt (als Beispielsfall für das Fehlen eines Bestellungsakts s. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.10.2008 – 2 Ss 371/08, juris). Art. 7 gilt auch für die Auslandsbestechung und würde durch den Wegfall von „undue“ und der Anforderungen an die zu erkaufende Diensthandlung die Strafbarkeit gegenüber dem bisher maßgeblichen OECD-Übereinkommen über die Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr von 1997 erweitern (zu dem gegenläufigen US-Kurs s. Kubiciel / Spörl, verfassungsblog vom 19.2.2025).
Als Strafandrohung will das EP den Mitgliedstaaten eine Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe vorgeben, wenn eine rechtmäßige Diensthandlung erkauft werden sollte, und von sieben Jahren in den übrigen Fällen (Art. 15[2][a], Zeile 128). Die Kommission hatte demgegenüber einheitlich sechs Jahre vorgesehen, der Rat drei (bei nicht pflichtwidrigen Diensthandlungen) bzw. vier Jahre (in den übrigen Fällen).
Bei Art. 8 (Bestechung im privaten Sektor, Zeilen 98 ff.) decken sich die Fassungen von Kommission, Rat und EP weitgehend. Kommission und EP wollen die Vorschrift auf „wirtschaftliche, finanzielle, geschäftliche oder gewerbliche Tätigkeiten“ anwenden, während der Rat das Merkmal „gewerblich“ gestrichen hatte (Zeile 99). Das Merkmal „geschäftlicher Verkehr“ des § 299 StGB deckt alle diese Varianten ab. Die fünfjährige Mindesthöchststrafe des Kommissionsvorschlags will das EP auf sechs Jahre erhöhen; der Rat hatte drei Jahre vorgesehen (Art. 15[2][b], Zeile 129).
Bei Art. 9 (Veruntreuung, Zeilen 102 ff.) macht sich das EP den Kommissionsvorschlag zu eigen, der keinen Schaden voraussetzt und sowohl für die Amts-/Mandatsträgerveruntreuung (Zeile 104) als auch für die (nach der Ratsfassung unverbindliche) Veruntreuung durch Unternehmensangestellte (Zeile 105) gilt. Das EP hat überdies den Schadens- bzw. Vorteilsschwellenwert des Kommissionsvorschlags gestrichen (Art. 15[3], Zeile 131), der den Mitgliedstaaten zumindest mittelbar eine Beschränkung auf Fälle mit Schadens- bzw. Vorteilseintritt zugestanden hätte. An der Versuchsstrafbarkeit des Kommissionsvorschlags will das EP festhalten (Art. 14[3], Zeile 124). Bei der Mindesthöchststrafe toppt des EP mit sechs Jahren Freiheitsstrafe (Art. 15[2][b], Zeile 129) wiederum den Kommissionsvorschlag (fünf Jahre) und die Ratsposition (vier bzw. drei Jahre, Zeilen 128, 129).
Die Unerlaubte Einflussnahme (Art. 10, Zeilen 106 ff.) lässt das EP ebenfalls unverändert (abgesehen von redaktionellen Modifikationen). Der Einflusshändler muss damit keinen „unerlaubten Einfluss“ in Aussicht stellen. Es reicht, wenn die Einflussnahme mit einem ungerechtfertigten Vorteil erkauft werden soll und Ziel der Einflussnahme ebenfalls ein ungerechtfertigter Vorteil ist. Die Vorstellungen zur Mindesthöchststrafe bei Rat, Kommission und EP staffeln sich mit drei, fünf und sechs Jahren Freiheitsstrafe auch hier nach dem üblichen Muster (Art. 15[2][b], Zeile 129).
Beim Amtsmissbrauch (Art. 11, Zeilen 111 ff.) decken sich Kommissionsvorschlag und EP-Position ebenfalls (wiederum abgesehen von redaktionellen Änderungen des EP). Der in Art. 11(1) geregelte und in der Ratsfassung (unverbindliche) Straftatbestand des Amtsmissbrauchs durch Amtsträger gilt sowohl für Amtsträger als auch für die ihnen anzugleichenden Mandatsträger. Mit der Kommission hält das EP auch an einem Tatbestand für den „Amtsmissbrauch“ durch Unternehmensangestellte (Art. 11[2]) fest, während der Rat diesen Tatbestand streichen will.
Der Straftatbestand der „Behinderung der Justiz“ (Art. 12, Zeile 115 ff.) soll nach dem EP-Vorschlag für Verfahren wegen sämtlicher Richtlinienstraftaten gelten (also auch für Verfahren wegen Art. 12 selbst, die Kommission und Rat ausgeklammert hatten [Zeilen 117 ff.]). Weiter will das EP Art. 12(1) (Zeile 117) um das Tatbestandsmerkmal „Einflussnahme“ und um eine Tatbestandsvariante ergänzen („... Beeinflussung, Bedrängung oder Nötigung von Zeugen, Sachverständigen oder sonstigen Beteiligten mit dem Ziel, sie von einer Beteiligung sowie von der Kommunikation und Kooperation mit den Justizbehörden abzuhalten ...“). Außerdem schlägt das EP einen neuen Abs. 2a (Zeile 118a) vor, der folgenden Wortlaut haben soll:
(2a) die Zerstörung, Änderung, Verheimlichung oder Verfälschung von Beweismitteln, einschließlich elektronischen Beweismitteln, mit der Absicht, in ein Verfahren im Zusammenhang mit einer in dieser Richtlinie genannten Straftaten einzugreifen.
Die Regelung enthält keine Ausnahme für Beschuldigte und Angeklagte, so dass auch für sie z.B. das Verbrennen von Tagebüchern und das Löschen von Nachrichten auf einem Mobiltelefon mit belastendem Inhalt strafbar wären. Unabhängig davon wäre der deutsche Straftatbestand der Strafvereitelung (§ 258 StGB) auch deshalb für die Umsetzung nicht ausreichend, weil diese Vorschrift immer eine tatsächlich begangene Vortat voraussetzt, während Art. 12 ein bloßes Strafverfahren ausreichen lässt. Endet ein solches Verfahren später mit einer Einstellung oder einem Freispruch, lässt das die Strafbarkeit nach Art. 12 unberührt.
Wie die Kommission will das EP auch den Versuch von Art. 12 bestraft sehen (Art. 14[3], Zeile 124). Bei der Mindesthöchststrafe übertrifft das EP mit sieben Jahren Freiheitsstrafe (Art. 15[2][c], Zeile 128) den Kommissionsvorschlag (sechs Jahre; Zeile 128) und erst recht die Ratsposition, die den Mitgliedstaaten keinerlei Mindesthöchstmaß vorgeben will, so dass die Strafandrohung „nur“ gem. Art. 15(1) „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müsste (Zeile 126).
Das EP schlägt mit Art. 12a auch einen ganz neuen Straftatbestand vor, der mit Freiheitsstrafe von im Höchstmaß mindestens sieben Jahren zu bedrohen sein (Art. 15[2][a], Zeile 128) und folgenden Wortlaut haben soll (Zeile 118b ff.):
Art. 12a Unerlaubte Methoden der politischen Finanzierung Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die folgenden Handlungen unter Strafe gestellt werden, wenn sie vorsätzlich begangen wurden: (1) Handlungen, bei denen jemand unmittelbar oder über einen Mittelsmann einer Person, die eine präsidiale, politische oder administrative Führungsposition oder eine Position als Bürovorstand innerhalb politischer Parteien innehat oder die in ein Parlaments- oder Regierungsamt auf regionaler, nationaler, europäischer oder internationaler Ebene gewählt wurde, oder einer Organisation, die sich aktiv für eine bestimmte politische Partei ausspricht, unter Verstoß gegen geltendes Recht im Bereich der politischen Finanzierung oder gegen geltende Transparenzvorschriften finanzielle Zuwendungen in beträchtlicher Höhe verspricht, anbietet oder leistet; (2) Handlungen, bei denen eine Person, die eine präsidiale, politische oder administrative Führungsposition oder eine Position als Bürovorstand innerhalb politischer Parteien innehat oder die in ein Parlaments- oder Regierungsamt auf regionaler, nationaler, europäischer oder internationaler Ebene gewählt wurde, oder eine Organisation, die sich aktiv für eine bestimmte politische Partei ausspricht, unter Verstoß gegen geltendes Recht im Bereich der politischen Finanzierung oder gegen geltende Transparenzvorschriften unmittelbar oder über einen Mittelsmann finanzielle Zuwendungen in beträchtlicher Höhe fordert oder annimmt.
Korruptiver Einfluss auf politische Entscheidungen kann auch und gerade mit Hilfe von Parteispenden ausgeübt werden (deswegen dürfen Parteien in Deutschland keine Einflussspenden annehmen, § 25 Abs. 2 Nr. 7 PartG). Gleichwohl stellt sich die Frage, ob der Kompetenztitel „Korruption“ des Art. 83(1) AEUV eine solche Regelung noch trägt, die eine Strafbewehrung von Verstößen gegen Transparenzregelungen verlangt und damit weit im Vorfeld von Korruption ansetzt. Hinzu kommt, dass es sich um einen Blankettnorm handelt, die auf „geltendes Recht im Bereich der politischen Finanzierung“ bzw. „geltende Transparenzvorschriften“ verweist, also auf nationale Bestimmungen, die gerade nicht harmonisiert sind (womit auch Art. 83[2] AEUV als Kompetenzgrundlage ausscheidet). Die Regelung kann die angestrebte (Mindest-)Harmonisierung gar nicht erreichen, da die Mitgliedstaaten über die nationalen Bezugsvorschriften den Umfang der Strafbarkeit weiterhin selbst in der Hand hätten. Mitgliedstaaten, denen die Strafbarkeit zu weit geht, könnten sich sogar veranlasst sehen, ihre nationalen Regelungen zur Parteienfinanzierung zu lockern und damit Transparenz und Rechenschaftspflicht zu schwächen.
Bei Art. 13 (Bereicherung durch Korruptionsdelikte, Zeilen 119 ff.) greift das EP stark in die Struktur der Vorschrift ein. Nach dem Kommissionsvorschlag sollte die Regelung bei Amts-/Mandatsträgern den Erwerb, Besitz und die Verwendung von Korruptionserträgen unter Strafe stellen. Die Strafbarkeit sollte auch für Erträge aus eigenen Korruptionsstraftaten gelten (und damit weiter gehen als Art. 3[5] der strafrechtlichen Geldwäsche-Richtlinie [2018/1673], der bei bloßem Erwerben, Besitzen und Verwenden eine solche Selbstgeldwäschestrafbarkeit nicht verlangt). Unklar ließ der Kommissionsvorschlag, ob er eine Bestrafung sowohl für die eigene Vortat als auch zugleich für das spätere Besitzen und Verwenden der daraus stammenden Erträge anstrebte. Wäre das der Fall gewesen, so wäre der Täter einer Bestechlichkeit nach Art. 7 für das Annehmen eines Bestechungsgelds und zugleich für das Behalten bzw. Ausgeben dieses Geldes zu bestrafen gewesen (was auf eine doppelte Bestrafung desselben Unrechts hinausläuft, s. dazu Bergmann, NZWiSt 2014, 448; Schröder/Bergmann, Warum die Selbstgeldwäsche straffrei bleiben muss, 2013). Der Rat hat in seiner Allgemeinen Ausrichtung dagegen klargestellt, dass die Vorschrift sogar nur für Straftaten eines anderen Amtsträgers gelten soll (Zeile 120).
Das EP will Art. 13(1) folgende Fassung geben und folgenden neuen Abs. 1a hinzufügen:
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der vorsätzliche Erwerb, der vorsätzliche Besitz oder die vorsätzliche Verwendung eines Vermögensgegenstandes durch einen öffentlichen Bediensteten unter Strafe gestellt wird, wenn der Vermögensgegenstand in einem erheblichen Missverhältnis zum rechtmäßigen Einkommen des öffentlichen Bediensteten steht und durch dieses Einkommen nicht gerechtfertigt werden kann und wenn dieser Vermögensgegenstand aus der Begehung einer in dieser Richtlinie genannten Straftat stammt. (1a) Bei der Feststellung, ob der betreffende Vermögensgegenstand aus einer kriminellen Beteiligung an der Begehung einer in dieser Richtlinie genannten Straftat stammt, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich der konkreten Tatsachen und verfügbaren Beweismittel.
Die Regelung ist mehrdeutig und dürfte so zu verstehen sein, dass sie auch bei einer Bereicherung durch eigene Korruptionsdelikte gilt (in diese Richtung deutet jedenfalls Erwägungsgrund 16 [Zeile 24] in der EP-Fassung). Dass die Vermögensgegenstände aus Richtlinienstraftaten stammen, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, das gem. Abs. 1a bei seiner Überzeugungsbildung (wie sonst auch) „alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen [hat], einschließlich der konkreten Tatsachen und verfügbaren Beweismittel.“ Dagegen dürfte es nicht erforderlich sein, dem Täter Vorsatz hinsichtlich der illegalen Herkunft der Vermögensgegenstände nachzuweisen. Stattdessen muss feststehen, „dass der Vermögensgegenstand in einem erheblichen Missverhältnis zum rechtmäßigen Einkommen des öffentlichen Bediensteten steht und durch dieses Einkommen nicht gerechtfertigt werden kann“.
Ergänzt wird der so geänderte Art. 13 durch einen neuen Art. 13a (Zeilen 120b ff.) des EP, der folgenden Wortlaut haben und eine Freiheitsstrafe von im Höchstmaß mindestens fünf Jahren (Art. 15[2][c], Zeile 130) vorsehen soll:
Art. 13a Verheimlichung Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Verheimlichung eines Vermögensgegenstandes durch eine Person, die Kenntnis davon hat, dass dieser Vermögensgegenstand aus einer der in dieser Richtlinie genannten Straftaten stammt, auch wenn diese Person nicht an der Begehung dieser Straftaten beteiligt war, unter Strafe gestellt wird.
Der Straftatbestand würde für jedermann gelten (also nicht nur wie Art. 13 für Amts- bzw. Mandatsträger) und auch das Verheimlichen der Erträge aus eigenen Richtlinienstraftaten erfassen. Auch das geht über die Selbstgeldwäschestrafbarkeit gem. Art. 3[5] der strafrechtlichen Geldwäsche-Richtlinie [2018/1673] hinaus, die nach ihrem Erwägungsgrund 11 eine Beschränkung der Selbstgeldwäschestrafbarkeit auf Fälle zulässt, in denen der Täter den aus seiner eigenen Straftat erlangten Vermögensgegenstand in den Verkehr bringt und dabei dessen illegalen Ursprung verschleiert (vgl. § 261 Abs. 7 StGB). Nach Art. 13a müsste dagegen der Täter schon beim bloßen Verheimlichen seiner Erträge wegen Selbstgeldwäsche bestraft werden. Auch das wäre wiederum eine doppelte Bestrafung desselben Unrechts.
Schließlich schlägt das EP mit Art. 13b (Zeilen 120d ff.) einen weiteren neuen Tatbestand vor, der folgenden Wortlaut haben und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren (Art. 15[2][c], Zeile 130a) bedroht werden soll:
Art. 13b Fehlverhalten in einem öffentlichen Amt Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die schuldhafte Verletzung einer Dienstverpflichtung durch einen öffentlichen Bediensteten, der seine Pflichten nicht oder nur mangelhaft wahrnimmt, wenn dies zu erheblichem Schaden oder einer erheblichen Verletzung der Rechte natürlicher oder juristischer Personen führt, unter Strafe gestellt wird.
Die Vorschrift würde Art. 11(1) (Amtsmissbrauch) ergänzen, der bei vorsätzlich fehlerhaften Amts- bzw. Mandatshandlungen eine Strafbarkeit vorsieht, wenn dadurch jemand bevorteilt wird, während Art. 13b auf eine erhebliche Schädigung bzw. Rechtsverletzung abstellt. Auffällig ist das subjektive Merkmal „schuldhaft“, das anstelle des sonst üblichen Vorsatzes tritt und eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit meinen dürfte.
Bei den Nebenfolgen für natürliche Personen (Art. 15[3a][4], Zeilen 131a ff.) will das EP bestimmte Konsequenzen (wie etwa die Entfernung aus dem Amt) zwingend angeordnet sehen, während der Kommissionsvorschlag die Nebenfolgen in das Einzelfallermessen des Gerichts stellte (Art. 15[4], Zeile 132) und die Allgemeine Ausrichtung schon die Schaffung solcher Nebenfolgen dem Ermessen des Umsetzungsgesetzgebers überlassen wollte (Art. 15[4], Zeile 132). Bei der Verjährung (Art. 21, Zeilen 186 ff.) folgt das EP dem Kommissionsvorschlag mit langen Fristen von bis zu 15 Jahren.
3. Verantwortlichkeit juristischer Personen
Auf einen Paradigmenwechsel würden die EP-Änderungen in Art. 16 (Zeilen 143 ff.) hinauslaufen, da es danach für die Verantwortlichkeit juristischer Personen nicht mehr darauf ankommt, dass die Straftat bzw. Aufsichtspflichtverletzung von einer Leitungsperson begangen wird (so ausdrücklich auch Erwägungsgrund 20 in der EP-Fassung [Zeile 28]). Weiter will das EP, dass die Mitgliedstaaten „wirksame und transparente Prozesse für außergerichtliche Lösungen ... entwickeln, auf die sich die zuständigen Behörden in Bezug auf [Richtlinienstraftaten] mit einer juristischen Person einigen können“ (Art. 17[2b], Zeile 161g). Gemeint sein dürften Verfahrenseinstellungen, wie sie in Deutschland etwa nach § 153a StPO für natürliche Personen, noch nicht aber für juristische Personen vorhanden sind (s. dazu Burkhart/Busch, wistra 2022, 189, 192, 193), wobei ein dem § 153a StPO nachgebildetes Verfahren die EP-Transparenzanforderungen womöglich nicht erfüllen würde.
Die Geldbuße gegen juristische Personen soll nach dem EP für alle Richtlinienstraftaten im Höchstmaß mindestens 10 % des weltweiten Umsatzes betragen (Art. 17[2][a], Zeile 153; Kommissionsvorschlag: 5 % [Zeile 153]; nach der Allgemeinen Ausrichtung kann der Gesetzgeber wählen zwischen einem Höchstmaß von 3 % bzw. 5 % und einer Festbetragsgeldbuße von 24 bzw. 40 Mio. Euro [Zeilen 161b ff.]). Das EP schlägt außerdem eine Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen vor (Art. 17[2][ia], Zeile 161a).
4. Entschädigungs- und Beteiligungsrecht von Korruptionsopfern
Bei Korruptionsdelikten gebe es „kein unmittelbares und offensichtliches Opfer“ (so Kommission und EP in Erwägungsgrund 28, Zeile 36). Korruption sei aber keineswegs eine Straftat ohne Opfer (so der vom EP hinzugefügte Erwägungsgrund 28a, Zeile 36a) und deshalb gelte es, die Rechte dieser Opfer genauso zu schützen „wie die Rechte der Opfer anderer Straftaten, unter anderem was das Recht auf Information, Unterstützung und Schutz betrifft. Opfer von Korruption sollten in Gerichtsverfahren vertreten, in Korruptionsermittlungen einbezogen und angemessen entschädigt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die durch Korruption entstandenen Folgen und Schäden für Gesellschaften anerkannt und die Rechte der Personen garantiert werden, die unter Korruption leiden“ (Erwägungsgrund 28a, Zeile 36a). Das EP schlägt dazu eine Begriffsbestimmung von „Opfer“ vor (Art. 2[8a], Zeile 68a), die zwar auf die Opfer-Definition in Art. 2(1)(a) der Opferrechte-Richtlinie verweist (Richtlinie 2012/29/EU, deren Überarbeitung sich derzeit ebenfalls in Trilogverhandlungen befindet), die Definition aber zugleich erweitert, da es für die Eigenschaft als Korruptionsopfer nicht erforderlich sein soll, dass der erlittene Schaden direkte Folge der Korruptionsstraftat ist (als möglichen Beispielsfall s. den von dem namibischen Institute for Public Policy Research [IPPR] dokumentierten „Fishrot case“ [IPPR, „We are the ones that suffered most“, 2024]).
Um Opferrechte zu gewährleisten, sollen die Mitgliedstaaten eine Organisationseinheit vorhalten, „die auf die Ermittlung, Meldung, Vertretung und Koordinierung von Opfern von Korruption spezialisiert ist“ (Art. 4[2a], Zeile 83a), und zudem dafür sorgen, dass Korruptionsopfer identifiziert und informiert werden (Art. 23b[2][a], Zeile 208h). Den so identifizierten Opfern sollen die Mitgliedstaaten nach dem vom EP vorgeschlagenen neuen Art. 23b(1) (Zeile 208 f.) ermöglichen, ihre Ansichten und Anliegen vorzubringen. Nach Art. 23b(2) (Zeilen 208g ff.) sollen die Mitgliedstaaten die Rechte nach der Opferrechte-Richtlinie anwenden und überdies sicherstellen, dass Opfer Einstellungsentscheidungen überprüfen lassen können, einen Befriedigungsanspruch haben (u.a. auf Anerkennung der Rechtsverletzung bzw. einen Ausdruck des Bedauerns) sowie ein „Recht auf eine Garantie der Nicht-Wiederholung“.
5. Recht der betroffenen Öffentlichkeit auf Verfahrensbeteiligung
Nach dem vom EP vorgeschlagenen neuen Art. 23d (Zeilen 208p ff.) soll sich die „betroffene Öffentlichkeit“, zu der auch bei der Korruptionsbekämpfung aktive Nichtregierungsorganisationen gehören können (Art. 2[1][8b], Zeile 68b), an Korruptionsstrafverfahren beteiligen dürfen, etwa durch (Neben-)Klageerhebung und durch das Recht, Einstellungsentscheidungen überprüfen zu lassen. Eine solche „Popularklage“ ist dem deutschen Strafrecht bislang fremd und könnte zu Unwuchten zu Lasten von Beschuldigten bzw. Angeklagten führen, die sich in einem tribunalartigen Strafverfahren wiederfinden könnten mit schlagkräftigen NGOs auf der „Gegenseite“. Eine Regelung zur Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit findet sich – freilich in stark abgeschwächter Form – auch in der Richtlinie Umweltstrafrecht (s. dazu Busch, wistra 2024, Register S. 31, 32 f.; Pfohl, ZWH 2025, 45, 48).
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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