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Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden

Aus wistra 5/2022

Der am 13.4.2022 vorgelegte Referentenentwurf (RefE) soll die Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (RL), umsetzen (zur RL s. Dilling, CCZ 2019, 214; Möhrenschlager, wistra 2020, R XXXVII; Gramlich / Lütke, wistra 2020, 354; Siemes, CCZ 2022, 7) und zugleich den Hinweisgeberschutz in Deutschland wirksam und nachhaltig verbessern (RefE, S. 1). Der bislang vorwiegend von der Rechtsprechung geprägte Hinweisgeberschutz sei lückenhaft und unzureichend (RefE, S. 30). Hinweisgeber leisteten einen wichtigen Beitrag zur Ahndung von Verstößen, seien in der Vergangenheit aber oftmals Repressalien ausgesetzt gewesen (RefE, S. 30). Forderungen nach einem besseren Hinweisgeberschutz kommen dabei nicht zuletzt aus der Korruptionsbekämpfung (RefE, S. 31 f.); zu den entsprechenden Empfehlungen der OECD s. Burkhart / Busch, wistra 2022, 189︎ .

Wer bisher aus Angst, Frustration oder Resignation weggesehen und geschwiegen hat, soll sich nun darauf verlassen können, dass sein Hinweis vertraulich behandelt und dokumentiert wird, dass ihm nachgegangen und darauf reagiert wird, und keine Repressalien befürchtet werden müssen. Für Unternehmen und Behörden bedeutet dies, dass sie Meldestellen einrichten und mit kompetenten und bei seiner Tätigkeit unabhängigem Personal besetzen müssen. Wer seinen Hinweis an eine externe Stelle richten möchte, soll das in Zukunft bei einer zentralen Anlaufstelle tun können, die dafür beim Bundesamt für Justiz (BfJ) als „one-stop-shop“ geschaffen werden soll.

Ein in der zurückliegenden Legislaturperiode öffentlich gewordener Referentenentwurf des Ministeriums (dazu Dilling, CCZ 2021, 60; Gerdemann, ZRP 2021, 37) war wegen des Widerspruchs der damals unionsgeführten Ressorts nicht weiterverfolgt worden. Die Umsetzungsfrist der RL ist am 17.12.2021 abgelaufen (Art. 26[1] RL; Übergangsvorschrift für kleinere Unternehmen in Art. 26[2]), so dass sich inzwischen die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie stellt.

Der Entwurf sieht in seinem Art. 1 ein neues Stammgesetz für einen besseren Schutz von hinweisgebenden Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG) vor und enthält eine Reihe von Folgeänderungen (Art. 2 bis 8), insbesondere im Bereich des Dienstrechts.

1. Zielsetzung und persönlicher Anwendungsbereich

Das Gesetz will nicht nur Hinweisgeber schützen (§ 1 I HinSchG), sondern auch Personen, die Gegenstand eines Hinweises sind, weil ihnen darin ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, oder die von einer Meldung betroffen sind, weil sie darin genannt werden und so als Zeugen in Betracht kommen (§ 1 II HinSchG). Auch deren Identität und Verfahrensrechte gelte es zu schützen (RefE, S. 60). Gleichermaßen sollen die Rechte und Geheimhaltungsinteressen insbesondere der betroffenen Unternehmen geschützt werden (RefE, S. 60 f.).

2. Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG) geht über die RL hinaus und dürfte nahezu sämtliche hinweisgeeigneten Rechtsverstöße abdecken. Für den Schutz des Hinweisgebers ist es zudem unschädlich, wenn ein Verstoß einmal tatsächlich außerhalb des Anwendungsbereichs liegen sollte, solange der Hinweisgeber Grund zu der Annahme hatte, dass der Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes fällt (§ 33 I Nr. 3 HinSchG). Abgedeckt sind zunächst alle strafbewehrten Verstöße (§ 2 I Nr. 1 HinSchG). Bußgeldbewehrte Verstöße sind erfasst, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (§ 2 I Nr. 2 HinSchG). Dazu gehören insbesondere arbeitsrechtliche Vorschriften wie die Pflicht zur Zahlung eines Mindestlohns (§ 20 MiLoG) und dazugehörige Dokumentations , Duldungs- und Mitwirkungspflichten (§§ 15 ff. MiLoG) sowie Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten (§ 121 BetrVG).

§ 2 I Nr. 3 HinSchG enthält eine längere Aufzählung von Rechtsbereichen, für die das Gesetz ebenfalls gilt, und setzt damit RL-Vorgaben um (Art. 2 I a in Verbindung mit Anhang Teil I RL). Dazu gehören u.a. die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (a), Produktsicherheit und -konformität (b), Verkehrssicherheit (c, d, e, f, g), Umweltschutz (h, i), Förderung erneuerbarer Energien (j), Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (k, l), Vorschriften für Tabakerzeugnisse (m), Verbraucherrechte und Verbraucherschutz (n), Datenschutz (o, p), IT-Sicherheit (q), Aktionärsrechte (r), Abschlussprüfung und Rechnungslegung (s, t). Die Liste geht (wie auch Nr. 1 und 2) über die RL-Vorgaben hinaus und die überschießende Umsetzung wird mit der Vermeidung von Wertungswidersprüchen und der besseren Handhabbarkeit begründet. Oftmals seien ursprünglich nationale und ursprünglich europäische Vorgaben so eng miteinander verwoben, dass andernfalls keine Rechtssicherheit gewährleistet wäre (RefE, S. 35). Es zeigt sich damit erneut ein grundsätzliches Problem mit der Umsetzung von EU-Vorgaben, die auf andere, ihrerseits umsetzungsbedürftige EU-Vorgaben verweisen und damit eine passgenaue „Eins-zu-Eins“-Umsetzung erheblich erschweren. Eine solche Verweisungstechnik findet sich auch in der Richtlinie 2018/1673/EU über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (Art. 2[1]) und der Richtlinie 2014/42/EU über Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten (Art. 3), die beide ebenfalls mit ähnlicher Begründung überschießend umgesetzt wurden (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 116 zum EU-rechtlich nicht vorgegebenen all-crime-Ansatz bei § 73a StGB und BT-Drucks. 19/24180, 16 zum EU-rechtlich nicht vorgegebenen all-crime-Ansatz bei § 261 StGB).

§ 2 I Nr. 4 HinSchG betrifft vergaberechtliche Vorschriften, während Nr. 5 bestimmte Verstöße gegen das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz nennt und Nr. 6 und 7 bestimmte steuerrechtliche Verstöße einbeziehen. Erfasst sind von Nr. 7 bereits Vereinbarungen, die darauf abzielen, sich durch Verstöße gegen für Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften geltende steuerliche Rechtsnormen rechtsmissbräuchlich Steuervorteile zu verschaffen. Als ein solcher Verstoß komme insbesondere ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO in Betracht, d.h. die Wahl einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen könne (RefE, S. 68).

§ 2 II HinSchG bezieht Verstöße gegen den Schutz der finanziellen Interessen der EU ein (Nr. 1) sowie gegen Binnenmarktvorschriften, einschließlich über Wettbewerb und staatliche Beihilfen (Nr. 2).

Den Begriff des Verstoßes definiert das Gesetz weit und versteht darunter nicht nur ein Verhalten, das rechtswidrig ist und die einschlägigen Vorschriften oder Rechtsgebiete betrifft, sondern auch ein Verhalten, das missbräuchlich ist, weil es dem Ziel oder dem Zweck der einschlägigen Regelungen zuwiderläuft (§ 3 II HinSchG).

Regelungen zum Vorrang von Sicherheitsinteressen sowie von bestimmten Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsvorschriften (wie etwa dem richterlichen Beratungsgeheimnis und dem anwaltlichen Berufsgeheimnis) finden sich in § 5 HinSchG. Das Verhältnis zum Schutz insbesondere von Geschäftsgeheimnissen ist in § 6 HinSchG geregelt.

3. Interne und externe Meldestellen

„Institutionelles Kernstück“ der Neuregelung sind die zu schaffenden internen und externen Meldestellen (§§ 12 ff. bzw. §§ 19 ff. HinSchG). Hinweisgebern sollen zwei gleichwertige Meldewege zur Verfügung stehen, zwischen denen sie frei wählen können (§ 7 I HinSchG): Die Meldung bei einer der in Unternehmen und Behörden einzurichtenden internen Meldestellen und die Meldung bei der beim BfJ zu schaffenden externen Meldestelle. Meldungen oder die auf eine Meldung folgende Kommunikation zwischen Hinweisgeber und Meldestelle zu behindern oder dies zu versuchen, ist verboten (§ 7 II HinSchG) und bußgeldbewehrt (§ 40 II Nr. 1 HinSchG).

a) Interne Meldestellen 
Die Pflicht zur Einrichtung von internen Meldestellen trifft alle Beschäftigungsgeber und Organisationen mit jeweils in der Regel mehr als 50 Beschäftigen (§ 12 HinSchG; Übergangsregel für Beschäftigungsgeber mit 50 bis zu 249 Beschäftigten in § 42 HinSchG). Sie ist bußgeldbewehrt (§ 40 II Nr. 2 HinSchG). Die Pflicht gilt für Wirtschaft wie für Verwaltung. Denn unter die Definition von Beschäftigungsgeber (§ 9 IX) fallen insbesondere juristische Personen des öffentlichen Rechts (Nr. 3). Aufgabe der internen Meldestellen ist es, Meldekanäle zu betreiben, im Fallen von Meldungen das vorgeschriebene Verfahren zu führen und Folgemaßnahmen zu ergreifen (§ 13 HinSchG). Meldungen müssen mündlich (einschließlich telefonisch) und in Textform (vgl. § 126b BGB) möglich sein (§ 16 III 1 HinSchG).

Dritte (wie z.B. Rechtsanwälte; RefE, S. 85 f.) können als interne Meldestellen beauftragt werden und innerhalb eines Konzerns kann die interne Meldestelle zentral bei der Konzernmutter (als „Dritter“, vgl. Ref. S. 86) angesiedelt werden (§ 14 I HinSchG). In beiden Fällen muss die Verantwortung für Folgemaßnahmen aber beim jeweiligen Beschäftigungsgeber bleiben (§ 14 I 2 HinSchG; RefE, S. 86). Das gilt auch, wenn kleinere Unternehmen gem. § 14 II HinSchG gemeinsam eine interne Meldestelle betreiben. Die internen Meldestellen müssen zudem in ihrer Tätigkeit unabhängig sein und über die notwendige Fachkunde verfügen (§ 15 HinSchG). Ist der Bund oder ein Land Beschäftigungsgeber, reicht nicht jeweils eine zentrale interne Meldestelle für alle Bundes- bzw. Landesbediensteten. Vielmehr müssen die obersten Bundes- oder Landesbehörden Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Behörden, Verwaltungsstellen, Betrieben oder Gerichten bestimmten, für die dann die Pflicht zur Einrichtung und den Betrieb der internen Meldestelle gilt (§ 12 I 2, 3 HinSchG).

Die Meldekanäle müssen zumindest den eigenen Beschäftigten (§ 3 VIII HinSchG) und Leiharbeitnehmern offenstehen; sie können darüber hinaus auch für bestimmte Externe geöffnet werden, wie etwa Lieferanten und Auftragsnehmer (§ 16 I 3 HinSchG, RefE, S. 88).

Geht eine Meldung (§ 3 IV HinSchG) ein, muss die Meldestellte dies dokumentieren (§ 11 HinSchG) und spätestens nach sieben Tagen bestätigen (§ 17 I Nr. 1 HinSchG). Sie muss prüfen, ob der Verstoß unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt, Kontakt mit dem Hinweisgeber halten, die Stichhaltigkeit der Meldung prüfen, den Hinweisgeber erforderlichenfalls um weitere Informationen bitten und Folgemaßnahme ergreifen, d.h. Maßnahmen zur Prüfung der Stichhaltigkeit einer Meldung, zum weiteren Vorgehen gegen den gemeldeten Verstoß oder zum Abschluss des Verfahrens (§ 17 I 1 Nr. 2–6 HinSchG). Als Folgemaßnahme (§ 3 VII HinSchG) können die Meldestellen insbesondere interne Untersuchungen durchführen und betroffene Personen und Arbeitseinheiten kontaktieren, den Hinweisgeber an andere zuständige Stellen verweisen, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen oder das Verfahren an eine zuständige Behörde zu weiteren Untersuchungen abgeben (§ 18 HinSchG). Die konkrete Ausgestaltung der Befugnisse soll im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben individuell entsprechend der Größe und sonstiger Faktoren erfolgen (RefE, S. 90 f.). Etwaige weitere Maßnahmen müssen sich in ihrer Intensität und Ausrichtung an den in § 18 HinSchG aufgeführten orientieren (RefE, S. 91). Innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung der Meldung muss die Meldestelle eine Rückmeldung geben über geplante sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese, ohne dabei interne Nachforschungen oder Ermittlungen zu berühren und die Rechte von betroffenen Personen zu beeinträchtigen (§ 17 II HinSchG).

b) Externe Meldestellen 
Eine zentrale externe Meldestelle des Bundes soll beim BfJ eingerichtet werden (§ 19 HinSchG). Sie soll für niedrigschwellige Zugänglichkeit sorgen und so die Inanspruchnahme der Meldesysteme begünstigen. Als „one-stop-shop“ soll sie Hinweisgebern eine womöglich entmutigende Auseinandersetzung mit Zuständigkeitsfragen ersparen (RefE, S. 90). Neben dieser Anlaufstelle sollen die bestehenden Meldesysteme bei der BaFin (§ 21 HinSchG) sowie beim BKartA (§ 22 HinSchG) als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt werden. Die externe Meldestelle des Bundes soll mit einer Bund-Länder-übergreifenden Zuständigkeit sowohl für die Wirtschaft als auch für die Verwaltung ausgestattet werden. Sie hat die weitere Aufgabe, potentielle Hinweisgeber über die zur Verfügung stehenden Verfahren zu informieren und zu beraten (§ 25 II HinSchG). Den Ländern steht es frei, für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten (§ 20 HinSchG).

Auch die externe Meldestelle muss den Meldungseingang dokumentieren und grundsätzlich bestätigen, die Meldung prüfen und eine Rückmeldung geben (§§ 11, 24, 28 I, II, IV HinSchG) sowie Folgemaßnahmen ergreifen wie insbesondere das Einholen von Auskünften (§§ 28 II, 29 HinSchG). Bei Auskunftsverlangen der externen Meldestelle gelten mit Blick auf verwaltungsrechtliche Zwangsmittel die Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte nach §§ 53, 53a, 55 StPO entsprechend (§ 29 I 3 HinSchG). Als Folgemaßnahmen können externe Meldestellen außerdem den betroffenen Beschäftigungsgeber kontaktieren, um auf ein Abstellen des etwaigen Verstoßes hinzuwirken (§ 29 II Nr. 1 HinSchG; RefE S. 96). Strafverfolgungsmaßnahmen, die der Staatsanwaltschaft vorbehalten sind, sind nicht vom Begriff der Folgemaßnahmen umfasst (RefE, S. 17). Die Meldestellen können zudem mit anderen Behörden zusammenarbeiten (§ 30 HinSchG). Wenn es ihnen gleichwohl nicht gelingt, den gemeldeten Verstoß weiter zu überprüfen oder abzustellen, können sie – unter Beachtung der Vorgaben zur Vertraulichkeit (§§ 8, 9 HinSchG; RefE, S. 96) – an eine zuständige Behörde zwecks weiterer Untersuchungen abgeben (§ 29 II Nr. 4 HinSchG). Dazu gehört auch die ansonsten nicht weiter geregelte Abgabe an eine Staatsanwaltschaft bei Anhaltspunkten für Straftaten.

4. Vertraulichkeit und Anonymität

Der Gesetzentwurf sieht keine Verpflichtung zur Entgegennahme und Bearbeitung anonymer Meldungen vor (§§ 16 I 3, 27 I 3 HinSchG). Damit soll einer Überlastung des neuen Hinweisgeberschutzsystems vorgebeugt werden; anonyme Hinweisgeber fallen allerdings unter die Schutzbestimmungen, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird (RefE, S. 37).

Beide, interne und externe Meldestellen, müssen die Vertraulichkeit der hinweisgebenden und sämtlicher von einer Meldung betroffenen Personen wahren, deren Identitäten grundsätzlich nur den jeweils für die Bearbeitung einer Meldung zuständigen Personen bekannt sein dürfen (§ 8 HinSchG). Die Meldekanäle müssen entsprechend gestaltet werden (§§ 16 II, 27 I 2 HinSchG). Die Verletzung der Vertraulichkeit ist bußgeldbewehrt (§ 40 III HinSchG). Die Regelung sieht aber keinen absoluten Schutz der Vertraulichkeit vor. Insbesondere kann die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers im Rahmen eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens nicht von den Meldestellen, sondern nur nach den Vorgaben der Strafprozessordnung zugesichert werden (§ 4 IV HinSchG; RefE, S. 73). Informationen über die Identität des Hinweisgebers oder einer Person, die Gegenstand einer Meldung ist, und von sonstigen in der Meldung genannten Personen dürfen in Ausnahmefällen herausgegeben werden, wie insbesondere in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden (§ 9 II Nr. 1, IV Nr. 3 HinSchG). Vor der Weitergabe von Informationen über seine Identität muss die Meldestelle den Hinweisgeber aber informieren, es sei denn, diese würde die Ermittlungen gefährden (§ 9 II 2 HinSchG). Eine aktive Einbindung der Strafverfolgungsbehörde durch eine Meldestelle ist darüber hinaus – unabhängig von einer Einwilligung – nach § 9 IV Nr. 2 HinSchG (Folgemaßnahme) möglich und erlaubt die Weitergabe der Identität von betroffenen Personen (RefE, S. 82).

Der Forderung nach Streichung von § 160a V StPO (Dilling, CCZ 2019, 214, 223), die von Berufsgeheimnisträgern betriebenen internen Meldestellen zugutekommen könnte, greift der Entwurf nicht auf. § 160a StPO regelt „Maßnahmen bei zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern“ und nach seinem Abs. 5 ist die Zulässigkeit von Beschlagnahmen bei Berufsgeheimnisträgern allein an § 97 StPO zu messen (s. dazu BVerfG wistra 2018, 36 – „Jones Day“). Die Regelung soll das Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Berufsgeheimnisträgern und dem Verfassungsgebot einer effizienten Strafverfolgung wahren. Es wird allerdings schon uneinheitlich beurteilt, ob es sich bei Tätigwerden von Rechtsanwälten als Ombudspersonen um eine anwaltliche Tätigkeit handelt und damit überhaupt ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO besteht (vgl. Sotelsek, NStZ 2016, 502, 503 f.; Busch/Hoven/Pieth/Rübenstahl/Tute Antikorruptions-Compliance, 2020, 39. Kap. Rn. 52); nur wenn man das bejaht, würde eine entsprechende Meldestelle von einer Streichung von § 160a V StPO profitieren. Wenn Unternehmen einen zusätzlichen Schutz für Hinweisgeber schaffen möchten, können sie über den Gesetzentwurf hinaus selbstverständlich auch die Entgegennahme anonymer Hinweise ermöglichen. 

5. Offenlegung

Wer einen Verstoß offenlegt, also damit an die Öffentlichkeit geht (§ 3 V HinSchG), genießt nur dann den Schutz des neuen Gesetzes, wenn er den Verstoß zuvor an eine externe Meldestelle gemeldet hat, aber innerhalb des vorgegebenen Rückmeldezeitraums (drei bzw. sechs Monate, § 28 IV HinSchG) keine geeignete Folgemaßnahme ergriffen wurde oder keine Rückmeldung erfolgt ist (§ 32 I HinSchG). Die Angemessenheit der Folgemaßnahmen soll sich nach objektiven Kriterien richten und abhängig sein von den fallspezifischen Umständen und von der Art der Vorschriften, gegen die verstoßen wurde (RefE, S. 99). Schutz besteht nach § 33 II HinSchG auch, wenn der Hinweisgeber hinreichend Grund zu der Annahme hatte, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann (a), im Fall einer externen Meldung Repressalien zu befürchten sind (b) oder aufgrund besonderer Umstände die Aussichten gering sind, dass die externe Meldestelle wirksame Folgemaßnahmen einleiten wird (c). Das Offenlegen unrichtiger Informationen über Verstöße ist verboten (§ 32 II HinSchG) und bußgeldbewehrt (§ 40 I HinSchG).

6. Schutzmaßnahmen

Die Schutzmaßnahmen nach dem Gesetz setzen insbesondere voraus, dass der Hinweisgeber gutgläubig gehandelt hat (§ 32 I Nr. 2 HinSchG). Seine subjektiven Beweggründe spielen dagegen keine Rolle (RefE, S. 101). Wer missbräuchlich oder böswillig unrichtige Informationen meldet, ist nicht geschützt und macht sich schadensersatzpflichtig (§ 39 HinSchG). Zentrales Element der Schutzmaßnahmen ist das Verbot von Repressalien (§ 36 HinSchG), zu denen nach § 3 VI HinSchG alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielweise Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung, Rufschädigung oder Mobbing zählen, die als Reaktion auf einen Hinweis erfolgen. Zugunsten des Hinweisgebers gilt eine Beweislastumkehr (§ 36 II HinSchG) und es besteht ein Schadensersatzanspruch (§ 37 HinSchG). Zugleich ist das Repressalienverbot bußgeldbewehrt (§ 40 II Nr. 3 HinSchG).

§ 35 HinSchG sieht einen Ausschluss von Verantwortlichkeit für die Informationsbeschaffung vor. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibt nach § 35 I HinSchG aber ausdrücklich ausgenommen. Wenn hinweisgebende Personen eine Straftat wie beispielsweise einen Hausfriedensbruch nach § 123 StGB, das Ausspähen von Daten nach § 202a StGB, das Abfangen von Daten nach § 202b StGB oder eine Datenhehlerei nach § 202d StGB begehen, bleibt ihre Strafbarkeit von einer mit den erlangten Informationen erfolgten Meldung oder Offenlegung ebenso unberührt wie eine etwaige zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit (RefE, S. 103).

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


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