aus wistra 7/2025
Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (JuMiKo) ist am 5./6.6.2025 unter Vorsitz Sachsens zu ihrer ersten Tagung in der neuen Legislaturperiode zusammengekommen.
Mit der neuen Bundesjustizministerin Hubig waren sich die Ressortchefs der Länder einig, dass es ein gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern brauche, um der gemeinsamen Verantwortung für den Rechtsstaat gerecht zu werden. Herausforderungen seien u.a. steigende Verfahrensdauern, dringend nötige Fortschritte bei der Digitalisierung und besorgniserregende Anfeindungen gegenüber der unabhängigen Justiz (in einer Erklärung wurden diese Angriffe deutlich verurteilt und wurde den Richterinnen und Richtern Unterstützung zugesichert).
1. Strafbarkeit der Vereitelung von Vermögensabschöpfung
Aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht ist der von Hessen, Schleswig-Holstein und Berlin initiierte Beschluss „Vereitelung von Vermögensabschöpfungsmaßnahmen sanktionieren“ hervorzuheben. Darin betont die JuMiKo einmal mehr, „dass Strafverfolgung nur dann wirksam und nachhaltig sein kann, wenn die Täter die aus der Tat erlangten Vorteile nicht behalten können.“ Zugleich stelle man fest, dass Straftäter ihr Vermögen durch einfache Verschiebungen einer Abschöpfung entziehen könnten und diesem Verhalten ein eigener Schuldgehalt zukomme, der zum Schutz des staatlichen Anspruchs auf Durchsetzung der Vermögensabschöpfung eine strafrechtliche Ahndung erfordere. Die JuMiKo bittet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), „Änderungen im Strafgesetzbuch zu prüfen, die der faktischen Verhinderung strafrechtlicher Vollstreckungsmaßnahmen zum Zwecke der Vermögensabschöpfung entgegenwirken“.
In der Praxis kann es zu solchen Vereitelungsfällen bspw. unter folgenden Umständen kommen: Zur Sicherung der Einziehung von Wertersatz (§ 73c StGB) werden Bankkonten des Täters gepfändet, auf denen Gehaltszahlungen und weitere Einnahmen wie z.B aus Vermietung eingehen. Um die Abschöpfung zu verhindern, lässt der Täter eine andere Person ein weiteres Konto auf deren eigenen Namen eröffnen und veranlasst die Überweisung seiner Einnahmen direkt auf dieses Konto. Eine Sicherung des Guthabens auf diesem neuen Konto zur Einziehung nach § 73 StGB ist nicht möglich, da die auf dem Konto eingegangenen Gelder kein Tatertrag, sondern legale Einnahmen sind. Auch eine Dritteinziehung wegen Wertersatz nach § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 StGB dürfte jedenfalls daran scheitern, dass es sich um Gelder handelt, die ein anderer (nämlich der zahlende Arbeitgeber oder Mieter des Täters) zuvor legal erhalten hatte (§ 73b Abs. 1 S. 2 StGB). Möglich erscheint aber eine Einziehung nach § 73 StGB, wenn der Täter wirtschaftlich Berechtigter des Guthabens auf dem fremden Konto sein sollte und ihm Ansprüche gegen den nominellen Kontoinhaber zustehen, was freilich von den Umständen des jeweiligen Falles abhängt.
Strafbar hat sich der (Vor-)Täter mit seinen Vereitelungshandlungen nach geltendem Recht nicht gemacht. Der Straftatbestand der Vereitelung der Zwangsvollstreckung (§ 288 Abs. 1 StGB) greift, wenn jemand bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite schafft. Die Tat, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren sowie mit Geldstrafe bedroht ist und nur auf Antrag verfolgt wird (§ 288 Abs. 2 StGB), erscheint auf den ersten Blick einschlägig. Allerdings schützt § 288 StGB (nur) das Recht des einzelnen Gläubigers bzw. das Gläubigervermögen und ist daher nach herrschender Meinung nicht auf die Vereitelung der Vermögensabschöpfung anwendbar, bei der es sich um einen Teil der Strafrechtspflege und damit gerade nicht um die Geltendmachung individueller Gläubigerrechte handelt (vgl. Maier in MünchKomm/StGB, 4. Aufl. 2022, § 288 Rz. 9; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB 30. Aufl. 2023, § 288 Rz. 2; Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 288 Rz. 2). Die Strafbarkeit wegen (Selbst-) Geldwäsche (§ 261 StGB) scheitert schon daran, dass die dem Konto zugeflossenen Gelder nicht aus rechtswidrigen Taten herrühren. Begünstigung (§ 257 StGB) und Strafvereitelung (in Form der Vereitelung von Vermögensabschöpfungsmaßnahmen, § 258 Abs. 2 StGB) sind von vornherein nur anwendbar, wenn sie zugunsten eines anderen begangen werden, was hier gerade nicht der Fall ist.
Ein neuer Straftatbestand der Vereitelung der Einziehung, um dessen Prüfung die JuMiKo das BMJV gebeten hat, würde das in §§ 257, 258 StGB und teilweise auch noch in § 261 StGB enthaltene Selbstbegünstigungsprivileg aufheben. Zu berücksichtigen ist zudem, dass jedenfalls für den Beispielsfall (Täter lässt seine Einnahmen auf das Konto eines Dritten überweisen) schon das geltende Recht Maßnahmen gegen die Vereitelung der Vermögensabschöpfung bietet. So können Gehalts- oder Mieteinnahmen direkt beim Drittschuldner (also Arbeitgeber und Mieter) gepfändet werden (§ 111f Abs. 1 S. 1 StPO). Das setzt voraus, dass die Einnahmen bekannt sind, was bei Lohn, Miet- und anderen regelmäßigen Einnahmen häufig der Fall sein dürfte. Von solchen Pfändungen unmittelbar bei Drittschuldnern wird in der Praxis möglicherweise bisweilen aus Verhältnismäßigkeitsgründen abgesehen, da der Drittschuldner, also z.B. der Mieter, Arbeitgeber oder Unterhaltsschuldner des Täters, durch die Pfändung von dem Ermittlungsverfahren gegen den Täter erfahren würden. Die Pfändung von Mieteinnahmen kann außerdem dazu führen, dass sich die Staatsanwaltschaft mit den Mietern (z.B. wegen Minderungen) auseinandersetzen muss. Das ändert jedoch nichts daran, dass mit der Drittschuldnerpfändung ein wirksames Mittel zur Verhinderung bestimmter Vereitelungshandlungen zur Verfügung stehen.
2. Verbesserung der Vermögensabschöpfung beim illegalen Hawala-Banking
Die JuMiKo hat sich außerdem mit Hawala-Banking befasst. Sie stellt fest, dass bei der strafrechtlichen Verfolgung und Ahndung des illegalen Hawala-Bankings als Straftaten nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) eine Einziehung von Tatobjekten rechtlich nicht möglich sei. Das BMJV soll daher in Abstimmung mit dem für das ZAG federführenden BMF prüfen, wie die Vermögensabschöpfung beim illegalen Hawala-Banking verbessert werden kann, etwa durch Aufnahme einer Ermächtigung zur Einziehung i.S.d. § 74 Abs. 2 StGB und einen Verweis auf § 74a StGB im ZAG.
a) Mit Hawala-Banking ist ein weltweit genutztes informelles und vertrauensbasiertes Transfersystem gemeint, das beleglos, kontolos und banklos funktioniert und das es bereits seit mehr als tausend Jahren geben soll (s. hierzu und zum Folgenden die Vorbemerkung der Bundesregierung zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion „Transferierung staatlicher Mittel aus Deutschland mittels des unter anderem in Verbindung mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stehenden Hawala-Bankings“, BT-Drucks. 20/12069, 1 f.). Der Transfer von Geldern bzw. Vermögenswerten wird über Hawala-Agenten (Hawaladare) abgewickelt, die außerhalb der staatlich regulierten Bankenbranche tätig sind. Wer Geld insbesondere ins Ausland transferieren möchte, übergibt es in bar an einen der örtlichen Hawaladare („Topf 1“), die sich oft in Gewerbebetrieben finden (Kiosken, Restaurants oder Läden). Der Hawaladar sucht dann den Kontakt zu dem am ausländischen Auszahlungsort tätigen Hawaladar („Topf 2“) und teilt den auszuzahlenden Betrag sowie einen Auszahlungscode mit. Auch der Einzahler erhält diesen Code, um ihn z.B. per Telefon an den Empfänger weiterzuleiten, der sich damit als Zahlungsempfänger legitimieren kann. Der Hawaladar am Auszahlungsort zahlt dem Empfänger den Geldbetrag ebenfalls in bar und in der Regel in der jeweiligen Landeswährung aus, ohne dass es zu einem direkter Bar- oder Buchgeldfluss zwischen Topf 1 und Topf 2 kommt. In der Praxis werden etwaige Salden durch Geldkuriere, reguläre Überweisungen, Abwicklungen über Hawala-Apps und anschließendem Wertausgleich über Transfers von Kryptowerten oder durch grenzüberschreitende Werttransporte (Autos, Edelmetalle) sowie die Erbringung von Dienstleistungen ausgeglichen. Das System basiert auf Vertrauen, das auf gemeinsame sprachliche, ethnische, religiöse oder geschäftliche Identifikationsmerkmale und der Reputation beruhen soll. Die Hawaladare kennen sich zum Teil persönlich, sind zum Teil aber auch über international operierende Broker verbunden und kooperieren miteinander. Ein Hawaladar arbeitet häufig mit mehreren Netzwerken zusammen. Mittels Hawala-Bankings werden u.a. familienunterstützende Zahlungen in Länder mit unterentwickelten Zahlungsverkehrssystemen und Auszahlungen von sonstigen Unterstützungen in Krisenregionen getätigt. Es kann aber auch für illegale, bewusst verschleierte Finanztransaktionen eingesetzt werden.
In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zum Hawala-Banking hat die Bundesregierung angegeben, dass es in besonderen Einzelfällen, in denen es zur Rettung von Menschenleben oder zur Durchführung von besonders wichtigen Hilfsprojekten mangels verlässlicher Bankensysteme keine alternativen Möglichkeiten für Geldtransfers gebe, von einzelnen Ressorts zugelassen werde, dass geförderte Zuwendungsempfänger und Durchführungsorganisationen nach Abwägung aller Risiken als ultima ratio ein Hawala-System nutzten (BT-Drucks. 20/12069, 4).
b) Bei Transaktionen im Hawala-System handelt es sich um unerlaubten Zahlungsdienste (§ 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 ZAG), die nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 ZAG unter Strafe stehen. Kundengelder, die transferiert werden, sind Tatobjekt (§ 74 Abs. 2 StGB) und können nicht eingezogen werden, da das ZAG keine Tatobjekteinziehung vorsieht. Etwas anderes gilt für die von den Hawaladaren vereinnahmten Provisionen, die als Tatertrag eingezogen werden können. Auch wenn zugleich weitere Straftaten begangen worden seien, die wie insbesondere §§ 89a ff., 129 ff., 261 StGB eine Einziehung zulassen, kann abgeschöpft werden. Eine Einziehung von übertragenen Geldern ginge vor allem zu Lasten der Kunden, also häufig von Personen, die legal erworbenes Geld zu legalen Zwecken transferieren wollen und sich als bloße notwendige Teilnehmer auch nicht nach dem ZAG strafbar machen.
Mit dem Hawala-Banking hatte sich auch der Bericht der von der JuMiKo eingesetzten Arbeitsgruppe zur Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung (BLAG) befasst. Sie hatte sich dafür ausgesprochen, den Vorrang der Tatertragseinziehung vor der Tatobjekteinziehung, der bereits heute in der Sondervorschrift des § 261 Abs. 10 S. 3 StGB geregelt ist, in einen neuen § 74 Abs. 4 StGB-E zu überführen und damit zu verallgemeinern (S. 15). Die dem Hawaladar zugeflossenen Transfergelder könnten bei ihm danach als Tatertrag eingezogen werden (Busch, wistra 2024, Register S. 73; s. zu dem Bericht jetzt auch die Stellungnahme Nr. 21 vom Juni 2025 des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer).
3. Weitere Themen
a) Reformstau beenden und Digitalisierung im Strafprozess weiterdenken
Mit Sorge nahm die JuMiKo die wachsende Belastung der Strafjustiz zur Kenntnis. Seit 2019 sei die Anzahl der Ermittlungsverfahren beträchtlich angestiegen. Als Grund für die starke Belastung komme neben den steigenden Verfahrenszahlen die zunehmende Komplexität der Verfahren in Betracht. In diesem Zusammenhang werde im Strafverfahren den zunehmenden Herausforderungen der Digitalisierung nicht ausreichend Rechnung getragen. Das geltende Strafverfahrensrecht müsse daher dringend reformiert werden. Für eine Steigerung der Effektivität des Strafprozesses insgesamt hält es die JuMiKo für entscheidend, dass der digitale Transformationsprozess durch eine Modernisierung der Prozessordnung flankiert werde, um die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, für alle Verfahrensbeteiligten besser nutzbar machen zu können.
Die JuMiKo begrüßt Arbeiten der Bund-Länder-Arbeitsgruppen „E-Justice Straf“ sowie „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“ und die Einbeziehung von Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz im Strafverfahren. Bisherige Reformbemühungen müssten entschlossen wiederaufgenommen werden. Frühere JuMiKo-Beschlüsse seien dabei ebenso in den Blick zu nehmen wie die Ergebnisse und Vorschläge von Arbeitstagungen der Strafrechtspraxis. Darüber hinaus müssten die bestehenden Potentiale der Digitalisierung innerhalb der strafprozessualen Hauptverhandlung noch besser nutzbar gemacht und ihre Herausforderungen besser bewältigt werden. Bedarf zur „Prüfung gesetzlicher Optimierung“ sehe man insbesondere bei der Erfassung, Verarbeitung und Einführung digitaler Beweismittel. Neben der Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Betrieb einer Beweismittelcloud und der Ausweitung des Selbstleseverfahrens betreffe dies etwa die Durchführung von Videovernehmungen sowie die Einführung von Vernehmungsprotokollen aus dem Ermittlungsverfahren.
Das BMJV wird insbesondere um Prüfung gebeten, ob das Recht der Beweisaufnahme unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien dahingehend modifiziert werden kann, dass ein Beweistransfer aus dem Ermittlungsverfahren in deutlich größerem Umfang als nach geltendem Recht ermöglicht wird und die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb einer Beweismittelcloud geschaffen werden.
Die JuMiKo begrüßt die (für die StPO auch im Koalitionsvertrag vorgesehene) Einsetzung einer Kommission aus Wissenschaft und Praxis unter Beteiligung der Länder zur Vorbereitung einer grundlegenden Überarbeitung der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.
b) Überprüfung der Straftatenkataloge für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen:
Die JuMiKo hat sich außerdem mit den Straftatenkatalogen von § 100a Abs. 2, § 100b Abs. 2, § 100g Abs. 2 und § 110a Abs. 1 Satz 1 StPO auseinandergesetzt und ist sich einig, dass die geltende Regelungstechnik unübersichtlich sei und die Regelungen unter rechtssystematischen Brüchen und Wertungswidersprüchen litten. Die JuMiKo hält daher eine „ganzheitliche Überprüfung“ der Straftatenkatloge für erforderlich, um eine einheitliche Systematik zu gewährleisten und bestehende Wertungswidersprüche zu beseitigen. Eine Abschaffung der Kataloge fordert die JuMiKo dagegen nicht. Sie bittet das BMJV, die geltenden Regelungen auf Wertungswidersprüche zu prüfen und einen Vorschlag zur Beseitigung dieser Widersprüche zu unterbreiten. Im Koalitionsvertrag ist eine Ausweitung der Straftatenkataloge der §§ 100a ff. StPO „soweit erforderlich“ vorgesehen (s. Busch, wistra 2025 Heft 5 R8, 10).
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJV) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.