ZeFin NRW
aus wistra 7/2025
Im Rechtsausschuss des NRW-Landtages wurde durch den Justizminister über die Einrichtung einer Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität (ZeFin) in NRW berichtet (Drs. 18/860):
„Das Anliegen, Deutschland im Kampf gegen Finanzkriminalität besser aufzustellen, ist nicht neu. Die Financial Action Task Force – kurz: FATF –, das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, hat uns eine Verbesserung bereits in ihrem vor zweieinhalb Jahren vorgelegten Abschlussbericht über die Prüfung Deutschlands in unser Hausaufgabenheft geschrieben. NRW ist lediglich ein Teil Deutschlands, wenn auch ein besonders schöner. Während allerdings der Bund in den vergangenen drei Jahren über vollmundige Ankündigungen kaum hinausgekommen ist, hat die Landesregierung in NRW ihre Hausaufgaben gemacht. Warum ist die Bekämpfung von Finanzkriminalität so wichtig? Sie ist so wichtig, weil Finanzkriminalität wie Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Subventionsbetrug die Stabilität von Finanzmärkten untergräbt und zu wirtschaftlicher Instabilität führt. Sie erschwert die effektive Verteilung staatlicher Ressourcen, also von Geld, das uns an allen Ecken und Enden fehlt, etwa für Kitas oder den Erhalt und den Ausbau von Infrastruktur. Nicht zuletzt benachteiligt Finanzkriminalität ehrliche Unternehmen ebenso wie die rechtstreuen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Die Bekämpfung von Finanzkriminalität trägt dazu bei, das Vertrauen in Finanzsysteme und -institutionen wieder zu stärken und eine gerechtere und stabilere Gesellschaft zu fördern. Das ist der Anspruch, der an einen starken, wehrhaften Rechtsstaat zu stellen ist. Diesem Anspruch sehe ich mich verpflichtet. Meine Damen und Herren, dabei müssen wir uns bewusst sein, dass es sich um ein zunehmend komplexes und globales Kriminalitätsfeld handelt. Internationale Netzwerke und digitale Finanzströme machen es schwierig, illegale Aktivitäten wie Geldwäsche oder Steuerhinterziehung effektiv zu verfolgen. Es gibt nicht nur bei der Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität oft rechtliche und praktische Hindernisse, um grenzüberschreitende Kriminalität schnell zu bekämpfen. Nicht zuletzt durch eine auch digital immer enger zusammenrückende Welt werden Unternehmensstrukturen komplexer, die es Kriminellen ermöglichen, sich zu verstecken und illegale Gelder zu waschen. Sogenannte Briefkastenfirmen oder Steueroasen entfachen regelmäßig und nicht nur in Deutschland Debatten über mangelnde Transparenz im Bereich von Finanztransaktionen und Unternehmensstrukturen. Natürlich können wir nicht einfach nur auf eine Weltlage verweisen und bemängeln, es handele sich um ein globales Problem. Staat und Justiz müssen sich heute anders aufstellen als vor 15 Jahren. Wir kennen heute die Risiken, die mit vermeintlichen innovativen Finanzinstrumenten verbunden sind. Leider hinken wir aber noch immer mit unserem Know-how hinter der Dynamik des Finanzmarktes her. Was also können wir in Nordrhein-Westfalen konkret tun, was können wir besser machen als vor 15 Jahren? Die Finanzseite hat bereits vorgelegt und im vergangenen Jahr mit dem Aufbau des Landesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität begonnen und den Grundstein dafür gelegt, dass wir der Finanzkriminalität direkt im Nacken sitzen. Aus Sicht der Justiz gibt es da aber noch etwas hinzuzufügen: eine neue Zentralstelle, die als Brückenkopf der Justiz eng mit den Finanzermittlern von Steuerfahndung und Polizei kooperieren soll und wirksam auf neue Entwicklungen in der Wirtschafts- und Finanzkriminalität reagieren kann. Diese Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen – kurz: ZeFin NRW – werden wir bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf einrichten. Warum am Standort Düsseldorf? Rein faktisch ist Düsseldorf die Finanzmetropole Nordrhein-Westfalens. Aus Strafverfolgungssicht noch bedeutsamer ist, dass Düsseldorf Sitz wichtiger künftiger Partnerbehörden ist. Hier sitzen das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität und das Landeskriminalamt. Gerade in der Aufbauphase solch enger Kooperationen sind die kurzen Wege, die einen schnellen Ausgleich ermöglichen, für eine effektive Netzwerkbildung und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Erfolgsgarant. Unser Ziel besteht darin, die Strafverfolgung bei der Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität auf ein neues Level zu heben und bundesweit ein Signal zu senden. Meine Damen und Herren, natürlich wissen Sie, dass wir bereits mehrere Zentralstellen im Bereich der Strafverfolgung in NRW eingerichtet haben. Wir haben die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime bei der Staatsanwaltschaft Köln, die Zentralstelle Terrorismusverfolgung bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die Zentral- und Ansprechstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und bereits in der ersten Hälfte der Legislaturperiode die Zentralstelle für die Verfolgung der Umweltkriminalität bei der Staatsanwaltschaft Dortmund eingerichtet. Unseren Zentralstellen ist gemeinsam, dass sie beachtliche Erfolge vorzuweisen haben. Diesem Repertoire wollen wir aber nicht lediglich ein wohlklingendes Akronym hinzufügen. Denn in Nordrhein-Westfalen sind bereits seit dem Jahr 1968 funktionierende Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität eingerichtet. Lassen Sie mich mit einem Zitat deutlich machen, warum die zuvor beschriebene komplexe Welt des Kapital- und Finanzmarkts neue Wege erfordert. Henry Kissinger, der frühere US-Außenminister, soll einmal gesagt haben, auch wenn er sich selbst zeitlebens daran nicht erinnern konnte: Wenn ich mit Europa reden will, wen muss ich da anrufen? – Das beschreibt ganz genau, was uns bislang fehlte: ein Single Point of Contact bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität in der Justiz. – Das möchten wir nun mit der Einrichtung der ZeFin in Nordrhein-Westfalen ändern, daher auch der Name ‚Ansprechstelle‘. Die ZeFin wird künftig für Behörden in Nordrhein-Westfalen deutschlandweit, aber auch grenzüberschreitend ein Ankerpunkt bei Fragen der Strafverfolgung im Bereich der Wirtschafts- und Finanzkriminalität sein. Wenn für Partnerbehörden im Bereich der Strafverfolgung regelmäßig Fragen aufkommen: ‚Welche Staatsanwaltschaft könnte denn dafür zuständig sein? Ich habe mehrere Tatorte, bezirksübergreifend agierende Tätergruppierungen, wohin soll ich mich wenden?‘, dann haben Sie künftig mit der ZeFin NRW eine Ansprechstelle, die gegebenenfalls selbst entsprechende Verfahren führen kann, sofern die Eingangskriterien erfüllt sind, oder eben eine Lotsenfunktion übernimmt und Koordinierungsarbeit leistet. Meine Damen und Herren, kommen wir nun zum Eingemachten. Damit die ZeFin NRW einen effektiven Baustein bei der Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzkriminalität darstellen kann, ist mir besonders wichtig, dass sie auch eigenständig Ermittlungsverfahren führt. Hier kommen die von mir eben angesprochenen Eingangskriterien in Betracht. Nach dem Vorbild der ZeOS und der ZeUK soll die Zuständigkeit der ZeFin für herausgehobene Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität begründet sein. Herausgehobene Verfahren können sich etwa durch die Schadenshöhe, aufgrund vorwiegend überregionaler Tatbegehung oder einer überwiegend überregionalen Organisationsstruktur ergeben. Weiterhin können im Laufe der Ermittlungen zu erwartende besonders umfassende und komplexe Finanzermittlungen einschließlich vorläufiger Maßnahmen der Vermögensabschöpfung Indikatoren sein, die für eine Verfahrensführung durch die ZeFin NRW sprechen. Maßgeblich wird die Zuständigkeit der ZeFin NRW in Zukunft dann begründet sein, wenn in Strafsachen der vorgezeichneten Art Anhaltspunkte für über den Bezirk einer Generalstaatsanwaltschaft unseres Landes hinausreichende länderübergreifende oder internationale Tatzusammenhänge erkennbar sind und eine zentrale Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist, namentlich, weil die Aufgaben der Strafverfolgung im Bereich der Finanzverwaltung durch das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität wahrgenommen werden und sich diese Behörde unter Berücksichtigung der zuvor genannten Kriterien an die ZeFin mit der Bitte um Verfahrensführung wendet. Zudem werden wir das in der ressortübergreifenden Taskforce zur Bekämpfung von Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus geübte Koordinatorenmodell erweitern. Künftig können auf diese Weise auch LBF und ZeFin an einem Tisch sitzen, um so für eine noch effektivere Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkriminalität Sorge zu tragen und Finanzierungsquellen Organisierter Kriminalität und Terrorismus trocken zu legen. Ein ständiger Informationsaustausch und kurze Wege werden auf diese Weise sichergestellt. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einmal in aller Deutlichkeit klarstellen: Sinn und Zweck der Einrichtung der ZeFin ist es nicht, Staatsanwaltschaften, die bereits in bestimmten Komplexen eine herausragende Expertise erworben haben, etwas wegzunehmen. Vielmehr geht es darum, erworbene Expertise zusammenzutragen, zu bündeln, auszubauen und damit künftig noch effektiver und effizienter Verfahren der Wirtschafts- und Finanzkriminalität zu verfolgen. Eine bundesweite Konzentration der neuen Zentralstelle für die Verfolgung von CumEx-Geschäften oder der damit verwandten steuerrechtlichen Fallgestaltung ist daher nicht vorgesehen. Die strafrechtliche Aufarbeitung dieser Geschäfte ist eine Aufgabe aller Länder. Die Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen werden innerhalb des ihnen rechtlich eröffneten Rahmens nach der Strafprozessordnung im Gerichtsverfassungsgesetz eine Zuständigkeit in jedem Einzelfall natürlich gewissenhaft prüfen. Meine Damen und Herren, für die neuen Aufgaben wurden bereits mit dem Nachtragshaushalt 2024 insgesamt 20 neue Stellen etatisiert. Mein ausdrücklicher Dank gilt daher dem Haushaltsgesetzgeber. Es handelt sich nach meiner festen Überzeugung um ein überaus lohnendes Investment in Zeiten knapper Kassen. Diewistra 2025, R8zur Verfügung stehenden Stellen wollen wir schnell mit qualifiziertem Personal besetzen, was in Zeiten genereller Personalknappheit durchaus herausfordernd ist. Komplexe wirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Vorgänge gehören nicht zum Standardrepertoire eines Jurastudiums oder des sich anschließenden Referendariats. Bis zur vollständigen Schlagkraft wird es also dauern. Eine solche Spezialisierung muss über Jahre aufgebaut werden. Damit wird die ZeFin NRW in der zweiten Jahreshälfte beginnen. Dabei wird es darauf ankommen, erfahrene Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die bereits über eine entsprechende Expertise auf diesem Fachgebiet verfügen, mit dienstjungen Kolleginnen und Kollegen zusammenzubringen, die sich für diese komplexen Strukturen interessieren und sich dafür begeistern können, Teil dieses hochspezialisierten Teams zu werden. Dafür machen wir mit der Einrichtung der ZeFin NRW den entscheidenden ersten Schritt.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin
Verlag C.F. Müller