aus wistra 7/2025
Bundesrechnungshof
Der Bundesrechnungshof (BRH) fordert in seinem aktuellen Bericht nach §§ 99 BHO eine entschlossene Bekämpfung der Steuerhinterziehung
(BT-Drucks. 21/32). Zusammenfassend heißt es:
„Ein wesentliches Handlungsfeld zur Stärkung der Einnahmenbasis ist die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung. Schätzungen zufolge verliert Deutschland hierdurch jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Im Jahr 2023 wurden durch die Steuerfahndungsstellen der Länder Mehrergebnisse von insgesamt 2,5 Mrd. Euro festgestellt. Diese Mehrergebnisse dürften nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes nur die Spitze des Eisbergs sein. Die Steuerausfälle belasten nicht nur die Haushalte von Bund und Ländern, sondern benachteiligen auch steuerehrliche Unternehmen. Dennoch kommt die Betrugsbekämpfung nicht entscheidend voran. Der Staat muss das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Er muss Hemmnisse beseitigen und seine Schlagkraft erhöhen. Hinweise auf internationalen Umsatzsteuerbetrug und Steueroasen sowie Steuer-Leaks-Daten sind umfassend auszuwerten. Es gilt, strukturelle Defizite schnellstmöglich zu beheben, zuständige Stellen bestmöglich zu unterstützen und neue Betrugsbekämpfungsinstrumente konsequent einzusetzen. Die Zeit drängt.“
IT‑Systeme zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung modernisieren: Für eine wirksame Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung würden die Finanzbehörden – so der BRH – moderne und funktionsfähige IT‑Systeme benötigen. Gleichwohl stelle der Bundesrechnungshof bei seinen Prüfungen immer wieder Defizite hinsichtlich der IT‑Unterstützung fest. Danach seien zentrale Systeme für die umsatzsteuerliche Kontrolle seit Jahren veraltet und weisen Schwachstellen auf. Dies zeige sich in mehreren Bereichen:
„So besteht Modernisierungsbedarf bei der Kontrolle des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs. Das dafür vorgesehene IT‑System genügt schon seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr den Ansprüchen einer zeitgemäßen Technik. Seit dem Jahr 2006 strebt das BMF eine Modernisierung an. Nachdem sich diese immer wieder verzögerte, scheiterte das Projekt schließlich im Jahr 2022. Verbesserungsbedarf besteht auch bei der Überprüfung von Lieferungen durch Unternehmer, die außerhalb der Europäischen Union ansässig sind. Zwar können die Finanzämter Daten der Zollverwaltung zu Ein-und Ausfuhren abrufen. Die Bediensteten müssen diese Daten aber manuell abgleichen. Um eine zeitgemäße Umsatzsteuerkontrolle zu gewährleisten, sollten die Daten der Zollverwaltung automatisiert in die Risikomanagementsysteme der Finanzämter einbezogen werden. Manuelle Arbeitsschritte sollten der Vergangenheit angehören. Im Juli 2021 führte die EU‑Kommission neue Besteuerungsverfahren für die Umsatzsteuer ein. Der Start dieser Verfahren war in Deutschland mit Schwierigkeiten verbunden. Die Finanzämter konnten die erhaltenen Daten aus technischen Gründen erst mit mehr als einjähriger Verzögerung verarbeiten. Dadurch fehlten ihnen wichtige Informationen für die Umsatzsteuerkontrolle. Zukünftig sollte das BMF für die technische Umsetzung neuer Besteuerungsverfahren ausreichend Vorlauf einplanen.“
Steuerfahndungsstellen der Länder stärker durch den Bund unterstützen: Bei der „Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung“ werden die Länder durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) unterstützt. Zuständig beim BZSt ist die zentrale Stelle zur Koordinierung von Prüfungsmaßnahmen in länder- und staatenübergreifenden Umsatzsteuer-Betrugsfällen (KUSS). Bei der Verfolgung von Steuerstraftaten im Bereich der Ertragsteuern erfahren die Länder dagegen – so die Erkenntnis des BRH – keine vergleichbare Unterstützung durch den Bund. Dies betreffe insbesondere Sachverhalte mit länderübergreifender oder internationaler erheblicher Bedeutung:
„Nach dem Willen des Gesetzgebers hat das BZSt die Länder auch hierbei zu unterstützen. Hierzu soll es alle erforderlichen Informationen sammeln, auswerten und die Behörden der Länder darüber unterrichten. Den gesetzlichen Auftrag hat das BZSt bereits im Jahr 2006 erhalten. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes hat das BMF als Aufsichtsbehörde aber seitdem versäumt, diesen ausreichend umzusetzen und das BZSt hierfür mit Personal und IT auszustatten. Das BZSt konnte die Aufgabe deshalb nur unzureichend wahrnehmen. Es führte lediglich Koordinierungsaufgaben bei der Prüfung von Kaufangeboten über Steuerdaten durch. Der Bundesrechnungshof bemängelte dies als unzureichend und forderte das BMF auf, beim BZSt eine Servicestelle zur Unterstützung der Steuerfahndungsstellen der Länder, vergleichbar der KUSS, aufzubauen. Die Länder befürworteten diesen Vorschlag. Sie machten Vorschläge, wie das BZSt sie bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung unterstützen könnte. Das BMF hat den Handlungsbedarf zwar erkannt und eine Erweiterung der Aufgaben des BZSt in Aussicht gestellt. Die Umsetzung der Maßnahme steht allerdings weiter aus.“
Maßstäbe bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung angleichen: Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt oder Steuererstattungen zu Unrecht gewährt werden. Diese Grundsätze gelten – worauf der BRH aktuell nochmals hinweist – auch für die Tätigkeit der Steuerfahndung. Gleichwohl gebe es Defizite:
„Der Bundesrechnungshof stellte im Jahr 2021 fest, dass die Steuerfahndungsstellen der Länder das Datenmaterial aus den sogenannten ‚Panama Papers‘ sehr unterschiedlich und lückenhaft auswerteten. Mögliche Steuerausfälle blieben dadurch unentdeckt. So identifizierte ein Land keinen einzigen Steuerfall, ein anderes verfolgte viele Steuerfälle mit zusätzlichen Steuereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe. Das BMF blieb bei der steuerlichen Auswertung der ‚Panama Papers‘ weitgehend passiv. Der Bundesrechnungshof forderte das BMF auf, sich künftig stärker in die steuerliche Auswertung von ‚Steuer-Leaks-Käufen‘ einzubringen. Im Wege der Bundesaufsicht sollte es bei den Ländern dafür werben, dass die Daten bundesweit vergleichbar ausgewertet werden können, um so eine einheitliche Besteuerung sicherzustellen. Das BMF darf bei steuerlichen Datenangeboten nicht außen vor bleiben, sondern muss die Beteiligten zusammenbringen, sich über die Entwicklungen auf Bundes- und Länderebene laufend informieren und seinen Einfluss nutzen, um eine bestmögliche Auswertung der Daten in allen Ländern sicherzustellen. Das BMF hat in Absprache mit den Ländern erste Maßnahmen ergriffen. Es hat veranlasst, dass das BZSt unmittelbar selbst Daten erwirbt und die Länder bei den Datenauswertungen unterstützt.“
Geldwäschebekämpfung stärken: Die Bundesregierung schätzt das finanzielle Volumen von Geldwäsche in Deutschland auf bis zu 100 Mrd. EUR jährlich. Geldwäsche verfolgt – so der BRH – das Ziel, illegal erlangte Vermögenswerte dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Die Bekämpfung der Geldwäsche sei eines der wichtigsten Mittel gegen die Organisierte Kriminalität. In Bezug auf das Steuerstrafrecht merkt der BRH u.a. an:
„Auch Steuerhinterziehung ist eine mögliche Vortat der Geldwäsche. Wirksame Geldwäschebekämpfung begegnet somit auch diesem Deliktsbereich und trägt zu höheren Steuereinnahmen bei. Das Geldwäschegesetz verpflichtet Wirtschaftsakteure in Deutschland, bei der Bekämpfung von Geldwäsche mitzuwirken. Auch Finanzbehörden haben Hinweise auf Geldwäsche zu melden. Zentrale Meldestelle für die Verdachtsmeldungen ist die bei der Zollverwaltung angesiedelte Anti-Geldwäschebehörde ‚Financial Intelligence Unit‘ (FIU). Sie soll Informationen im Zusammenhang mit Geldwäsche sammeln und analysieren. Werthaltige Vorgänge soll sie an die zuständigen Stellen zur Aufklärung oder Verfolgung solcher Taten weiterleiten. Die FIU steht seit einiger Zeit in der öffentlichen Kritik. Ihr wurden insbesondere eine mangelhafte und verzögerte Arbeitsweise sowie enorme Arbeitsrückstände bei der operativen Analyse der Verdachtsmeldungen vorgeworfen. Auch nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes zeigt die bisherige Aufgabenerledigung der FIU Schwachstellen.“
Kassen-Nachschau als neues Prüfinstrument nutzen: Der finanzielle Schaden für Bund und Länder durch Nichterfassung, Manipulation und Löschen von Bargeldeinnahmen in Kassensystemen wird auf jährlich bis zu 70 Mrd. EUR geschätzt. Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen wollte der Gesetzgeber den technischen Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung durch Manipulation von Kassenaufzeichnungen entgegentreten. Als wesentliche Säulen schuf er die unangekündigte Kassen-Nachschau durch die Finanzverwaltung und die Pflicht zur Belegausgabe. Diese Instrumente sollten das Entdeckungsrisiko erhöhen und zu einer Generalprävention beitragen. Hierzu merkt der BRH nunmehr an:
„Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes konnte das seit langem bekannte Vollzugsdefizit bei Bargeschäften durch die Kassen-Nachschau jedoch nicht wirksam und dauerhaft verringert werden. Hierzu ist eine jährliche Quote der Kassen-Nachschauen mit lediglich 2,4 % der Betriebe zu gering angesetzt. Zudem haben die Finanzverwaltungen der Länder diese Quote bislang in keinem Jahr auch nur annähernd erreicht. Ob die Unternehmen ihrer Belegausgabepflicht nachkommen, prüften die Finanzverwaltungen bislang nur in einigen wenigen Fällen. Eine beabsichtigte generalpräventive Wirkung wird dadurch insgesamt verfehlt. Der Bundesrechnungshof hat dem BMF empfohlen, auf eine deutliche Erhöhung der Zahl der Kassen-Nachschauen hinzuwirken. Dabei sollte es auch eine planmäßige Kontrolle der Belegausgabepflicht vorsehen und entsprechende Vollzugsziele mit den Finanzverwaltungen der Länder vereinbaren.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin