aus wistra 4/2025
Im Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg wurde am 30.12.2024 eine Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung veröffentlicht (S. 992 ff.): VwV Korruptionsverhütung.
Die Maßnahmen zur Verhütung unrechtmäßiger und unlauterer Einwirkungen auf das Verwaltungshandeln und zur Verfolgung damit zusammenhängender Straftaten und Dienstvergehen aller Behörden, Einrichtungen und Dienststellen des Landes richten sich nach dieser Verwaltungsvorschrift. Für die Landratsämter gilt die Verwaltungsvorschrift nur, sofern diese letztere gemäß einer Empfehlung entsprechend anwenden. Die Verwaltungsvorschrift gilt auch für die Gerichte des Landes, soweit sie in Justizverwaltungsangelegenheiten tätig sind. Den Gemeinden und Landkreisen sowie den sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, diese Verwaltungsvorschrift entsprechend anzuwenden. Öffentlichen Unternehmen oder Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts mit Sitz in Baden-Württemberg, deren Anteile mehrheitlich einer Gebietskörperschaft gehören oder deren Anteile ihr zu 25 Prozent und zusammen mit anderen Gebietskörperschaften die Anteile mehrheitlich gehören, wird empfohlen, diese Verwaltungsvorschrift entsprechend anzuwenden (Ziff. 1).
Unter dem gesetzlich nicht definierten Begriff der Korruption ist der Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion oder eines politischen Mandats zur Erlangung eines Vorteils für sich oder Dritte zu verstehen. Korruption liegt nach Ziff. 2.1.1 insbesondere bei der Verwirklichung der nachfolgenden Straftatbestände der Bestechungsdelikte und der Begleitdelikte nach dem StGB oder seinen Nebengesetzen vor: Wählerbestechung (§ 108b StGB), Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB), Unzulässige Interessenwahrnehmung (§ 108f StGB), Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 StGB), Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b, 300 StGB), Vorteilsannahme (§ 331 StGB), Bestechlichkeit (§ 332 StGB), Vorteilsgewährung (§ 333 StGB), Bestechung (§ 334 StGB), auch in Verbindung mit Unterlassen einer Diensthandlung (§ 336 StGB), Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung (§ 335 StGB), Ausländische und internationale Bedienstete (§ 335a StGB) in Verbindung mit dem jeweils einschlägigen Straftatbestand, Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB), Verwertung fremder Geheimnisse (§ 204 StGB), Unterschlagung (§ 246 StGB), Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), Geldwäsche (§ 261 StGB), Betrug (§ 263 StGB), Subventionsbetrug (§ 264 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB), Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB), Rechtsbeugung (§ 339 StGB), Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB), Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b StGB), Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat (§ 357 StGB), Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§ 23 GeschGehG).
Korruptionsgefährdete Bereiche sind nach Ziff. 2.2 alle Bereiche, die in unmittelbarem Kontakt mit Bürgern, Wirtschaftsunternehmen oder anderen Dritten wie z.B. Verbänden, Vereinen und sonstigen Institutionen Aufträge vergeben, Verträge abschließen, Fördermittel bewilligen und über Genehmigungen oder andere begünstigende Verwaltungsakte sowie Gebote oder Verbote entscheiden.
Alle Beschäftigte sollen in regelmäßigen Abständen in Dienstbesprechungen und anderen internen Veranstaltungen über Formen der Korruption und über Maßnahmen zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung unterrichtet werden (Ziff. 3.4.1). Dabei sollen auch die Konsequenzen von Pflichtverletzungen dargestellt werden. Zu diesen Veranstaltungen können Experten der Justiz, der Polizei, der Bau- und Finanzverwaltung hinzugezogen werden.
Für alle Beschäftigte gilt das Verbot, Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile in Bezug auf ihr Amt beziehungsweise mit Bezug auf ihre Tätigkeit anzunehmen, ohne dass die zuständige Stelle zugestimmt hat (Ziff. 4.1). Einzelheiten sind insbesondere in der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung beamtenrechtlicher Vorschriften sowie in den Hinweisen des Finanzministeriums zum Arbeits- und Tarifrecht, Sozialversicherungsrecht, Zusatzversorgungsrecht geregelt.
Ein Verdacht auf Korruption kann sich aus einer Reihe von Indikatoren ergeben. Das Vorliegen einzelner Indikatoren lässt jedoch nicht zwangsläufig auf einen Korruptionsverdacht schließen, so dass ihre Bewertung im Einzelfall mit großer Sorgfalt durchzuführen ist. Die Behörden haben auf das Vorliegen solcher Indikatoren zu achten und diesen in verhältnismäßiger Art nachzugehen (Ziff. 5.1.1).
Das Vorliegen von insbesondere folgenden Alarmindikatoren legen einen Korruptionsverdacht nahe, machen jedoch die abschließende Bewertung anhand der Umstände des Einzelfalles nicht entbehrlich (Ziff. 5.1.2):
a) unerklärliche Entscheidungen, die einen bestimmten Bieter oder Antragsteller begünstigen, b) unterschiedliche Beurteilung von Vorgängen mit gleichem Sachverhalt, c) Überschreitung von Ermessensspielräumen, d) Verzicht auf Kontrollen oder Überprüfungen, obwohl hierzu Anlass besteht, e) Beeinflussung der Vorgangsbearbeitung durch sachlich nicht zuständige Beschäftigte, f) Übermäßige Lenkung der Vorgangsbearbeitung durch Vorgesetzte, g) Nichtbeachtung oder Übersehen von Mitzeichnungspflichten, h) Übergehen von Vorgesetzten, i) wiederholte Wahrnehmung von Außenterminen ohne plausiblen Anlass, j) Ausweitung der Delegationsvorgaben, k) Abschluss eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen, der die Behörde langfristig bindet, l) wiederholte Bevorzugung bestimmter Bieter, m) auffallende Nachgiebigkeit bei Vertragsverhandlungen, n) fehlende Eingangsstempel im Schriftverkehr mit Bieterinnen und Bietern, Antragstellerinnen und Antragstellern oder Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern oder fehlende beziehungsweise unvollständige Dokumentation des Schriftverkehrs im Rahmen der digitalen Vorgangsbearbeitung, o) unerklärliche Verfahrensbeschleunigung, p) Vernachlässigung rechtlicher Bedenken und anderer Einwände.
Das Vorliegen von insbesondere folgenden sozialneutralen Indikatoren kann für einen Korruptionsverdacht sprechen, bedarf jedoch einer besonders sorgfältigen Bewertung anhand der Gesamtumstände (Ziff. 5.1.3):
a) aufwendiger Lebensstil, der mit dem Einkommen nicht erklärlich ist, b) sich plötzlich ändernder Lebensstil, c) unerklärliches Absondern, Verschlossenheit gegenüber Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten, d) Nebentätigkeiten mit kritischer Nähe zur dienstlichen Tätigkeit, e) Annahme von Einladungen bei Außenkontakten, die über den dienstlich veranlassten sozialadäquaten Rahmen hinausgehen, f) häufiger privater Umgang mit Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern, Bieterinnen und Bietern und Antragstellerinnen und Antragstellern, g) unüblich günstige Sonderkonditionen beim Einkauf, h) Anbieten kostenloser oder günstiger Dienstleistungen, i) aufwendige Werbegeschenke, j) Großzügigkeit von Unternehmen, k) vermeintliche Unabkömmlichkeit, Verzicht auf Freizeit und Anwesenheit auch bei Krankheit, l) aus dienstlichen Gründen, wie z.B. Arbeit im Homeoffice, nicht zwingend erforderliche Mitnahme von Vorgängen nach Hause, m) plötzlicher, nicht erklärlicher Meinungswandel, n) Verweigerung bei Umsetzungen, Abordnungen und Versetzungen, o) unüblich salopper Umgangston zwischen Beschäftigten und Unternehmen, p) das Ausbleiben von Beschwerden, wo sonst üblich.
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin