aus wistra 11/2024
Im Rahmen der Vorbemerkung zu einer parlamentarischen Anfrage im Bundestag heißt es:
„Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist Hawala ‚[...] ein seit Jahrzehnten weltweit genutztes informelles und vertrauensbasiertes Zahlungsverfahren. Es funktioniert nach dem ‚System der zwei Töpfe’ – also ohne eine unmittelbare Transaktion von Geldern – über Mittelsmänner, die sog. Hawaladare. Diese agieren ohne staatliche Zulassung und Aufsicht. Das System ist schlagwortartig ‚beleglos, kontolos und banklos und basiert auf Vertrauen und Verschwiegenheit’ (BaFin, Hawala: Banking in der Schattenwelt).
Durch die Umgehung der Nutzung regulierter Finanztransferdienstleister wird jede staatliche Kontrolle umgangen, weil es keine nachvollziehbaren Papierspuren gibt und das Know-your-Customer-Prinzip vollständig umgangen wird, was die Aufdeckung der entsprechenden Strukturen schwierig macht. Die Hawala-Netzwerke sind international, werden jedoch in aller Regel von ethnisch verbundenen Personengruppen genutzt, sind von unterschiedlicher Größe und in der Regel arbeitsteilig und hierarchisch aufgebaut. In der Praxis werden die Hawala-Systeme im großen Stil insbesondere in Verbindung mit kriminellen Handlungen wie etwa Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Schleusung, Rauschgifthandel, Steuerhinterziehung, Schmuggel und Korruption genutzt. Hawala-Netzwerke sollen beispielsweise beim Transfer von Geld für die islamistischen Attentate in Mumbai 2008, bei denen 164 Menschen starben, eine wichtige Rolle gespielt haben. Gemäß dem Bericht des US-Senats zum 11.9.2001 nutzt auch al-Qaida regelmäßig Hawala.
Trotz Verschleierung wurden in Deutschland in den letzten Jahren unter Beteiligung der BaFin einige Hawala-Systeme im Bereich von Edelmetall- und Immobiliengeschäften mit sehr viel Ermittlungsaufwand aufgedeckt (ebd., vgl. dazu auch Süddeutsche Zeitung, 8.2.2015, www.sueddeutsche.de/wirtschaft/islamischer-geldtransfer-milliardenstroeme-ohne-kontrolle-1.2333482). Laut BaFin (BaFin, Hawala: Banking in der Schattenwelt) gibt es jedoch keine spezifischen Gesetze zum Hawala-Banking, denn „[a]ufsichtsrechtlich ist Hawala-Banking ein Finanztransfergeschäft (§ 1 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes [ZAG]). Diese Einstufung wurde mehrfach vom Bundesgerichtshof in Strafsachen (BGHSt) bestätigt (vgl. zum Beispiel BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021 – 3 StR 61/21). [... Dabei] ist [es] unerheblich, wie der Geldbetrag beim Finanztransfergeschäft übermittelt wird und ob der Dienstleister das Geschäft durch einen tatsächlichen Geldfluss oder durch Verrechnung ausführt. Entscheidend ist das wirtschaftliche Ergebnis des Finanztransfers – nämlich, dass die Empfänger das Geld vom Hawaladar erhalten.
Auf der Grundlage der ihr zustehenden Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse (§§ 7 und 8 ZAG) geht die BaFin gegen die Betreiber unerlaubter Finanztransfergeschäfte vor und steht dabei nach eigenen Angaben im engen Austausch mit den Strafverfolgungsbehörden (ebd.).
Laut BaFin (ebd.) gilt, dass das Erbringen von Zahlungsdiensten ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis nach § 63 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 3 ZAG strafbar ist und bei Vorsatz mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe sowie bei Fahrlässigkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann. Dabei kommt es anders als bei der Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuchs (StGB) nicht auf eine rechtswidrige Herkunft der weitergeleiteten Gelder an.
Hawala-Geschäfte sind als solche gemäß BaFin (ebd.) nicht erlaubnisfähig, denn die beleglose Durchführung von Zahlungstransfers ohne die jeweilige umfängliche Kundenidentifizierung stellt einen eklatanten Verstoß gegen die Geldwäscherichtlinien dar. Daher könne derartigen Geschäftsmodellen weder in Deutschland noch in der EU eine Erlaubnis erteilt werden.“
Die Bundesregierung weist darauf hin (BT-Drucks. 20/12354), dass informelle Finanztransfersysteme, wie das Hawala-System, für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Hawala-Banking komme für bewusst verschleierte Finanztransaktionen mit illegalen Zwecken zum Einsatz und sei im Rahmen der ersten Nationalen Risikoanalyse 2019 als besondere Bedrohung für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angesehen worden. In diesen Fällen diene das Hawala-Banking u.a. dem Transfer von größeren Bargeldsummen unter Vermeidung von staatlich registrierten oder staatlich erlaubten Finanzdienstleistern und Finanztransfersystemen. Genaue, insbesondere statistische Aufschlüsselungen über die Verwendung von Hawala-Banking in den einzelnen genannten Deliktsbereichen lägen der Bundesregierung nicht vor.
Hawala-Banking könne auch als eine Transfermöglichkeit angesehen werden, um wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen gegen Länder zu umgehen, die gravierende Mängel bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Proliferation aufweisen. Insbesondere im Rahmen der Terrorismusmusfinanzierung werde Hawala-Banking genutzt, um Zahlungen und Zahlungswege zu verschleiern. Die Zahlungen erfolgten weltweit, anonym, unreguliert, schnell und kostengünstig. Es könne daher einen bedeutenden Transferweg in Verbindung mit Terrorismusfinanzierung darstellen.
§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 und § 10 Abs. 1 ZAG begründen die Erlaubnispflicht des Finanztransfergeschäfts. Darunter fallen – so die Bundesregierung – Hawala-Dienste, aber auch alle anderen Fälle, in denen gewerbsmäßig ein Geldbetrag zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an einen Dritten entgegengenommen wird. Wird dieses Geschäft im Inland ohne die Erlaubnis der BaFin betrieben, kann diese verwaltungsrechtlich nach den §§ 7 und 8 ZAG einschreiten. Der unerlaubte Betrieb ist zudem gem. § 63 ZAG mit Strafe bedroht. Diese Regelungen setzen die Vorgaben der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (EU) 2015/2366 um.
„Darüber hinaus stellt die für das Hawala-System typische beleglose Durchführung von Zahlungstransfers ohne eine umfängliche Kundenidentifizierung durch die Hawaladare einen Verstoß gegen die EU-Geldwäscherichtlinie, die EU-Geldtransferverordnung sowie das Geldwäschegesetz (GwG) dar, welche gerade die Beseitigung von anonymen Transaktionen zum Ziel haben und für Transparenz sorgen sollen. Hawala-Geschäftsmodellen kann daher weder in Deutschland noch in der EU eine Erlaubnis erteilt werden. Im Unterschied zum Anbieten von Hawala-Dienstleistungen ist die Nutzung des Hawala-Systems für den Nutzenden (Zahler/Zahlungsempfänger) nicht strafbar.“
Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin