aus wistra 5/2024
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 23.4.2024 seinen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzsystems vor der Verschleierung und Einbringung bedeutsamer inkriminierter Vermögenswerte (Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetz – VVBG) vorgelegt und den interessierten Kreisen Gelegenheit zur Stellungnahme bis 7.5.2024 eingeräumt. Das Artikelgesetz soll mit dem „Gesetz zu Ermittlungen im Zusammenhang mit verdächtigen Vermögensgegenständen“ (Vermögensermittlungsgesetz; Art. 1) ein neues Stammgesetz schaffen. Folgeänderungen sind vorgesehen im Errichtungsgesetz für das Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität – BBF – (Art. 2, 3), Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (Art. 4), Sanktionsdurchsetzungsgesetz (Art. 5), Kreditwesengesetz (Art. 6), Geldwäschegesetz (Art. 7) und Straßenverkehrsgesetz (Art. 8). Die neuen Regelungen sollen am 1.1.2025 in Kraft treten (Art. 9 I) mit Ausnahme von Art. 3 (Änderungen BBF-Errichtungsgesetz), der fünf Monate später, am 1.6.2025, in Kraft treten soll (Art. 9 II).
Das Vermögensermittlungsgesetz soll das Wirtschafts- und Finanzsystem davor schützen, dass bedeutsame Vermögensgegenstände, die aus rechtswidrigen Taten herrühren, „insbesondere durch Verschleierung gefördert,“ in den legalen Wirtschafts- und Finanzkreislauf eingebracht werden (§ 3 I Vermögensermittlungsgesetz). Dazu soll ein beim BBF (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 69) anzusiedelndes „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ die Herkunft und die „wirtschaftlich Berechtigten“ von „verdächtigen bedeutsamen Vermögensgegenständen“ ermitteln. Es soll über ca. 100 Mitarbeiter und einen jährlichen Etat von ca. 17 Mio. Euro verfügen. (Begründung S. 35). Rühren Vermögensgegenstände aus einer rechtswidrigen Tat her und wird dies in einer „geständigen Einlassung“ eingeräumt, so soll das VG die Einziehung zugunsten des Bundeshaushalts anordnen (§§ 11–13, 6 IV 1 Vermögensermittlungsgesetz). Gestützt werden diese Regelungen auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft (Art. 75 I Nr. 11 GG).
Gleichzeitig will das Vermögensermittlungsgesetz die strafrechtliche Einziehung nach § 76a IV StGB „punktuell, aber konsequent weiter[entwickeln]“, ohne dabei das StGB selbst zu ändern. Gibt das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ ein Verfahren wegen eines verdächtigen bedeutsamen Vermögensgegenstandes an die Staatsanwaltschaft ab, so soll ein selbständiges Verfahren nach § 435 StPO durchgeführt werden und dabei § 76a IV StGB „mit der Maßgabe Anwendung finden“, dass die an sich erforderliche vorherige Sicherstellung in einem Verfahren wegen einer Katalogstraftat nach § 76a IV 3 StGB fingiert wird (§ 14 III Vermögensermittlungsgesetz). Bei einem „verdächtigen bedeutsamen Vermögensgegenstand“ kann das Strafgericht die Einziehung also auch dann anordnen, wenn es an dem Verdacht einer OK-Straftat oder einer Straftat der Terrorismusfinanzierung und einer darauf beruhenden Sicherstellung fehlt. Diese „Anpassung des strafrechtlichen Einziehungsrecht“ stützt der Gesetzentwurf auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Strafrecht nach Art. 74 I Nr. 1 GG.
Die Begründung nimmt u.a. Bezug auf eine von den Koalitionsfraktionen zum Sanktionsdurchsetzungsgesetz II (s. dazu Busch, wistra 2023, Register S. 35) initiierte Entschließung, in dem der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert hatte, „Befugnisse für Fälle zu schaffen, die besondere Risiken in Bezug auf Geldwäsche oder Sanktionen aufweisen, wenn unklar ist, wer die faktische Kontrolle über das Vermögen ausübt, und eine weitgehende Verfügungsbeschränkung und im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen einen Eigentumsentzug ermöglichen, sofern in diesen Fällen auf Verlangen der zuständigen Behörden der wirtschaftlich Berechtigte durch den Inhaber nicht nachgewiesen werden kann“ (BT-Drucks. 20/4727, 95).
1. Verdächtige bedeutsame Vermögensgegenstände
Die Befugnisse des Vermögensermittlungsgesetzes gelten für „verdächtige bedeutsame Vermögensgegenstände“ (§ 1 II Vermögensermittlungsgesetz). Die „bewusst weit gewählte“ Definition von „Vermögensgegenstand“ in § 2 I Vermögensermittlungsgesetz entspricht wörtlich § 1 VII GwG und deckt sämtliche Gegenstände, Rechte und dazugehörige Urkunden ab. Um „bedeutsam“ zu sein, muss der Vermögensgegenstand einen Wert von mehr als 100.000 € haben. „Verdächtig“ ist ein Vermögensgegenstand, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er aus einer rechtswidrigen Tat nach § 11 I Nr. 5 StGB herrührt. Ob und inwieweit darunter auch das Herrühren aus Auslandstaten fällt (wie etwa eine Steuerhinterziehung zu Lasten eines ausländischen Staates), erläutert die Gesetzesbegründung nicht. Eine Regelung nach Vorbild von § 261 IX Nr. 1 StGB zur Gleichstellung von Gegenständen, die aus einer im Ausland begangenen Tat herrühren, fehlt. Die Einzelheiten des „Herrührens“ sollen sich nach den zu § 261 StGB erarbeiteten Grundsätzen richten (Begründung S. 41), was die 100.000 €-Wertgrenze erheblich relativiert, da nach der Rechtsprechung bereits ein geringer Zufluss inkriminierten Vermögens reicht, um einen Vermögensgegenstand insgesamt zu kontaminieren (vgl. BGH 1 StR 33/15 = wistra 2015, 391). Befinden sich auf einem Konto 95.000 € und kommen etwas mehr als 5.000 € aus illegalen Quellen hinzu, so rührt das gesamte Guthaben aus Straftaten her und es würde ein „verdächtiger bedeutsamer Vermögensgegenstand“ vorliegen.
Anhaltspunkte für das Herrühren aus einer rechtswidrigen Tat sollen gegeben sein, „wenn eine – auch nur geringe – Tatsachenbasis vorhanden ist, die zu dem Schluss berechtigt, dass das Herrühren aus einer rechtswidrigen Tat nicht ganz unwahrscheinlich ist; es bedarf also nicht zwangsläufig konkreter Anhaltspunkte, sondern lediglich tatsächlicher Indizien“, so die Gesetzesbegründung (S. 41) unter Bezugnahme auf Literatur zum Begriff der Anhaltspunkte in § 9 Bundes-Bodenschutzgesetz („Gefährdungsabschätzung und Untersuchungsanordnungen“). Anhaltspunkte für das Herrühren können sich aus einer Gesamtschau insbesondere der in § 2 II 1 Vermögensermittlungsgesetz aufgezählten Kriterien ergeben. Dieser Kriterienkatalog ist der „Aufzählung von Faktoren und möglichen Anzeichen für ein potenziell höheres Risiko [der Geldwäsche]“ in Anlage 2 zum GwG nachgebildet und hat folgenden Wortlaut:
„1. die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse [des Eigentümers ...] reichen bei objektiver Betrachtung nicht aus, um den Vermögensgegenstand zu erwerben,
2. es besteht keine Transparenz über den wirtschaftlich Berechtigten an einem Vermögensgegenstand,
3. der Gegenstand steht im Besitz oder in der Verfügungsbefugnis
a) einer Person, die wegen einer Vermögensstraftat oder einer Straftat von erheblicher Bedeutung vorbestraft ist,
b) einer kriminellen Vereinigung oder Organisation oder einer Person, die einer solchen Vereinigung oder Organisation angehört, oder einer Person, die einem oder einer Angehörigen einer solchen Vereinigung oder Organisation im Sinne des § 138 der Insolvenzordnung nahesteht,
c) einer natürlichen Person, die in geografischen Risikogebieten ansässig ist oder dort eine erhebliche Geschäftstätigkeit entfaltet, oder
d) einer Gesellschaft oder sonstigen Rechtsgestaltung,
aa) deren tatsächlichen Einkünfte aus dem laufenden Geschäftsbetrieb und sonstige Vermögensverhältnisse bei objektiver Betrachtung nicht ausreichen, um den Vermögensgegenstand zu erwerben,
bb) für die die Anschaffung des Vermögensgegenstandes im Verhältnis zu ihrem satzungsmäßigen Zweck oder Gegenstand unüblich oder wirtschaftlich sinnlos ist,
cc) die eine Inhaberstruktur aufweist, die bei objektiver Betrachtung darauf angelegt ist, eine Identifikation der wirtschaftlich Berechtigten auszuschließen oder sie erheblich zu erschweren,
dd) die ihren Sitz in einem geografischen Risikogebiet hat oder erhebliche Geschäftstätigkeit in einem solchen Gebiet entfaltet,
ee) bei der eine Leitungs- oder Geschäftsführungsfunktion von einer oder mehreren natürlichen Personen ausgeübt wird, die eines oder mehrere Merkmale nach Buchstabe a bis c aufweisen,
ff) deren wirtschaftlich Berechtigter Merkmale nach Buchstabe a bis c aufweist,
gg) deren wirtschaftlich Berechtigter seine Stellung über eine Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat vermittelt bekommt, in dem er nicht ansässig ist und deren Zwischenschaltung bei objektiver Betrachtung keinen rechtmäßigen Zweck verfolgt,
hh) die gesetzliche Transparenzpflichten nach §§ 20, 21 des Geldwäschegesetzes nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erfüllt hat, oder die Früchte oder Nutzungen des Gegenstandes stehen einer in den Buchstaben a bis d bezeichneten Personen oder Organisationen zu.
4. der Vermögensgegenstand wurde aufgefunden
a) in Zusammenhang mit einem Strafverfahren,
b) bei der Einreise oder Einfuhr aus einem oder bei der Ausreise oder Ausfuhr in ein geografisches Risikogebiet oder
c) bei der Einreise, Einfuhr, Ausreise oder Ausfuhr, wenn der Vermögensgegenstand entgegen bestehender Anmeldepflichten nicht deklariert wurde.“
Das „geografische Risikogebiet“ (§ 2 II 2 Nr. 3. Buchst. c und Buchst. c Doppelbuchst. dd, Nr. 4 Buchst. b Vermögensermittlungsgesetz) definiert § 2 III Vermögensermittlungsgesetz. Eine Definition des „wirtschaftlich Berechtigten“ enthält § 2 IV Vermögensermittlungsgesetz. Sie ist eng an die Definition des „wirtschaftlich Berechtigten“ in § 3 I GwG angelehnt, die zudem noch in § 2 IV Vermögensermittlungsgesetz für entsprechend anwendbar erklärt wird. Auch § 3 II-IV GwG sollen entsprechend anwendbar sein (§ 2 VI-VIII Vermögensermittlungsgesetz).
Nach der Begründung ist ein Vermögensgegenstand nicht erst dann verdächtig, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale vorliegen (Begründung S. 31; zum strafrechtlichen Anfangsverdacht und der Rolle der StA s. unten 4.). Ein Verdacht i.S.v. § 2 II Vermögensermittlungsgesetz könne sich etwa ergeben, wenn „der Vermögensgegenstand in der unmittelbaren oder mittelbaren Verfügungsgewalt von natürlichen oder juristischen Personen steht, die ihren Sitz oder Ursprung in [sanktionierten] Staaten haben“, was etwas weiter zu sein scheint als der Regelungstext, nach dem Ansässigkeit oder Geschäftstätigkeit in einem Risikogebiet erforderlich wäre. Vorstrafen (§ 2 II 2 Nr. 3 Buchst. c Vermögensermittlungsgesetz) sollen nur dann relevant sein, wenn sie noch nach den gesetzlichen Bestimmungen verwertbar sind (Begründung S. 43).
2. Maßnahmen zur Gefahrenerforschung
Hat das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ Hinweise darauf, dass ein Vermögensgegenstand verdächtig ist, kann es nach § 3 I Vermögensermittlungsgesetz
- vom Eigentümer Auskunft verlangen (Nr. 1),
- Einsicht in staatliche Register nehmen (Nr. 2),
- öffentlich verfügbare Informationen recherchieren (Nr. 2),
- Konteninformationen bei der BAFin automatisiert abrufen (Nr. 3; s. dazu auch die Änderung von § 24c KWG in Art. 6) und
- Personen vorladen, die sachdienliche Angaben machen können, wenn die anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind oder nicht ausführbar bzw. nicht aussichtsreich erscheinen oder den Verfahrenszweck gefährden (Nr. 4).
Das Gesetz will keine anlasslosen Ermittlungen bei beliebigen bedeutsamen Vermögensgegenständen ermöglichen (Begründung S. 46). Gleichzeitig reichen für die Gefahrerforschung bloße „Hinweise“ darauf, dass ein Vermögensgegenstand verdächtig ist. Quelle für solche Hinweise können insbesondere Spontanmitteilungen anderer öffentlicher Stellen wie etwa der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen sein (§ 16 Vermögensermittlungsgesetz; Art. 7 Nr. 3), die auch Daten übermitteln dürfen (§ 3 III Vermögensermittlungsgesetz). Ein automatisierter Datenabgleich mit dem polizeilichen Informationsverbund (§ 29 BKA-G) ist zulässig (§ 3 IV Vermögensermittlungsgesetz).
Wer vorgeladen wird (§ 3 I Nr. 4), muss erscheinen und aussagen (Begründung S. 48), kann sich aber auf die Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte nach der StPO berufen (§ 3 II Vermögensermittlungsgesetz). Bei unbegründeter Aussageverweigerung drohen Ordnungsgeld und Ordnungshaft nach § 70 StPO. Die Pflicht zu erscheinen und auszusagen soll nicht für Personen gelten, die als Anordnungsgegner (§ 5 Vermögensermittlungsgesetz) in Betracht kommen (Begründung S. 48) und zu denen insbesondere die Eigentümer, Besitzer und wirtschaftlich Berechtigten von verdächtigen Vermögensgegenständen gehören dürften, die auch von einer Einziehung betroffen sein können (s. unten 4.).
3. Erklärungsanordnung
Nach seinen Gefahrerforschungsmaßnahmen (§ 3 Vermögensermittlungsgesetz) kann das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ eine „Erklärungsanordnung“ erlassen (§ 4 Vermögensermittlungsgesetz) und damit nach § 5 I Vermögensermittlungsgesetz den Erklärungsgegner auffordern, „eine wahrheitsgemäße und vollständige Erklärung“ abzugeben zu:
- den wirtschaftlich Berechtigten an dem Vermögensgegenstand (Nr. 1),
- Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses i.S.d. § 19 GWG des Anordnungsgegners sowie etwaiger weiterer Personen an dem Vermögensgegenstand (Nr. 2),
- den näheren Umständen der Herkunft des Vermögensgegenstands, des Erwerbs und der Erlangung der Verfügungsmacht, insbesondere welche Mittel für den Erwerb aufgewendet wurden (Nr. 3),
- den näheren Einzelheiten des Trusts, insbesondere zu den beteiligten Personen und wirtschaftlich Berechtigten, wenn der Vermögensgegenstand von den Treuhändern eines Trusts gehalten wird (Nr. 4), und
- etwaigen sonstigen Informationen im Zusammenhang mit dem Vermögensgegenstand (Nr. 5).
Voraussetzung für die Anordnung ist, dass der Vermögensgegenstand „weiterhin verdächtig“ ist (§ 4 I Vermögensermittlungsgesetz), wobei für die vorangehenden Gefahrerforschungsmaßnahmen nach § 3 Vermögensermittlungsgesetz (nur) „Hinweise“ (§ 3 I Vermögensermittlungsgesetz) bzw. „Anhaltspunkte“ (Begründung S. 33) für den Verdacht vorliegen müssen. Die Anordnung ist zu begründen und hat ein behördeninternes Kontrollverfahren zu durchlaufen (§ 4 II Vermögensermittlungsgesetz). Anordnungen gegen denselben Anordnungsgegner wegen mehrerer Vermögensgegenstände und Anordnungen gegen unbekannte Personen sind zulässig (§ 4 IV Vermögensermittlungsgesetz).
Die Anordnung soll keine Pflicht zur Abgabe der Erklärung schaffen und nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können (Begründung S. 33). Deshalb ist die Anordnung nach der Begründung (S. 33) auch kein belastender Verwaltungsakt. Mit Erlass der Anordnung kann das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ freilich weitere Maßnahmen ergreifen, zu denen (unter Richtervorbehalt) auch Durchsuchungen und Postbeschlagnahmen gehören (§ 6 II-IV Vermögensermittlungsgesetz). Außerdem kann es den verdächtigen Vermögensgegenstand vorläufig sicherstellen (§§ 7, 8 Vermögensermittlungsgesetz).
Die Überprüfung der Erklärung und den Verfahrensausgang einschließlich der Entscheidungsfristen regeln §§ 9, 10 Vermögensermittlungsgesetz. Danach sind vier Szenarien vorgesehen (Begründung S. 33):
(1) Wenn der Vermögensgegenstand nicht aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, stellt das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ das Verfahren ein (§ 10 Vermögensermittlungsgesetz).
(2) Ergibt sich (in irgendeinem Verfahrensstadium) ein Anfangsverdacht für eine Straftat, so hat das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ die StA „hierüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen“ (§ 14 I 1 Vermögensermittlungsgesetz). Leitet die StA ein Strafverfahren ein, ist das Verfahren nach dem Vermögensermittlungsgesetz auszusetzen (§ 14 I 3 Vermögensermittlungsgesetz).
(3) Auch wenn kein Anfangsverdacht vorliegt, das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ aber gleichwohl Anhaltspunkte dafür hat, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, ist die StA zu unterrichten und das Verfahren nach dem Vermögensermittlungsgesetz auszusetzen, wenn ein Strafverfahren eingeleitet wird (zum Einziehungsverfahren bei fehlendem Anfangsverdacht s. unter 4.b.])
(4) Rührt der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat her und hat der Anordnungsgegner das in seiner Erklärung eingeräumt, so beantragt das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ beim VG die Einziehung des Vermögensgegenstands (§§ 11–13, 6 IV 2 Vermögensermittlungsgesetz, s. unter 4.a]).
4. Einziehung
a) Verwaltungsrechtliche Einziehung
Das VG „soll“ auf Antrag des „Ermittlungszentrums Vermögensverschleierung“ die Einziehung durch Urteil anordnen, wenn der Gegenstand nach seiner Überzeugung aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der Anordnungsgegner dies eingeräumt hat (§§ 11, 12 I Vermögensermittlungsgesetz). Damit werde die strafrechtliche Einziehung nach § 76a IV StGB um eine „gefahrenabwehrrechtliche Komponente“ ergänzt (Begründung S. 54). Die Soll-Regelung lasse dem Gericht einen Ermessensspielraum, um im Einzelfall unverhältnismäßige Einziehungsentscheidungen zu vermeiden (Begründung S. 54). Mit der Rechtskraft der Einziehungsentscheidung geht das Eigentum an der Sache oder das Recht auf den Rechtsträger der Behörde über, die den Einziehungsantrag gestellt hat (§ 13 Vermögensermittlungsgesetz). Anders als nach § 60 StrVollstrO wird also nicht zugunsten eines Landes, sondern zugunsten des Bundes eingezogen, wobei der Gesetzentwurf die daraus zu erwartenden Einnahmen noch nicht zu beziffern vermag (Begründung S. 35). Der Eigentumsübergang steht außerdem unter der Bedingung, dass der Vermögensgegenstand dem Anordnungsgegner gehört oder zusteht (§ 13 I Nr. 1 Vermögensermittlungsgesetz). Gehört die Sache einem anderen oder steht sie einem anderen zu, so soll das Eigentum nur übergehen, wenn der andere den Gegenstand oder das Recht dem Anordnungsgegner zur Verschleierung seiner wirtschaftlichen Berechtigung überlassen hat und der Anordnungsgegner dies erkannt oder leichtfertig nicht erkannt hat (§ 13 I Nr. 1 Vermögensermittlungsgesetz, der offenbar dem für andere Konstellationen gedachten § 75 I Nr. 1 StGB nachempfunden ist). Anordnungsgegner (jedenfalls im Einziehungsverfahren) kann also sinnvollerweise nur der Eigentümer, wirtschaftlich Berechtigte oder Besitzer des Vermögensgegenstands sein. Ob ein Vermögensgegenstand dem Anordnungsgegner zur Verschleierung der wirtschaftlichen Berechtigung überlassen wurde und der Anordnungsgegner dies erkannt hat, müsste nach der Einziehungsentscheidung geklärt werden. Wie die Rechte Dritter im Verfahren gewahrt werden, wird nicht ganz deutlich. Die Gesetzesbegründung (Begründung S. 54) verweist auf die VwGO.
Die Einziehung wird nach § 11 II Vermögensermittlungsgesetz nicht beantragt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für ein Herrühren des Gegenstands aus einer Straftat vorliegen und damit § 14 I Vermögensermittlungsgesetz greift (Information der StA, Aussetzen des Verfahrens bei Einleitung eines Strafverfahrens), was sehr häufig der Fall sein dürfte. Falls das Strafverfahren bereits ohne Einziehungsentscheidung eingestellt worden war (§ 14 IV Vermögensermittlungsgesetz), soll der Einziehungsantrag gestellt werden (§ 11 II Vermögensermittlungsgesetz). Nach der Gesetzesbegründung geht es um Fälle, in denen in der Erklärung eingeräumt wird, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, ohne dass diese Erwerbstat ausreichend konkret benannt wird (Begründung S. 53), sich das VG aber gleichwohl von der rechtswidrigen Herkunft überzeugen kann. Weiter wird der Fall genannt, dass die Erwerbstat verjährt ist (Begründung S. 53), wofür allerdings auch § 76a II StGB eine Einziehung vorsieht.
b) Strafrechtliche Einziehung
Gibt das „Ermittlungszentrum Vermögensverschleierung“ nach § 14 I Vermögensermittlungsgesetz ein Verfahren an die StA ab, so soll das selbständige Einziehungsverfahren nach § 435 StPO anzuwenden sein und § 76a IV StGB mit der „Maßgabe Anwendung [finden], dass anstelle eines wegen des Verdachts einer in § 76a IV 3 StGB genannten Straftat sichergestellter Gegenstand ein nach [§ 14 I Vermögensermittlungsgesetz] bezeichneter Vermögensgegenstand vorliegen muss“. Die Legalfiktion dürfte die Einziehung nach § 76a IV StGB beträchtlich erweitern und zielt auf Fälle ab, in denen es am Verdacht einer Straftat und damit auch einer Katalogstraftat nach § 76a IV StGB fehlt, ein Gericht aber gleichwohl zu seiner Überzeugung feststellen können soll, dass der betroffene Gegenstand aus (irgend-)einer rechtswidrigen Tat herrührt. Es sei gerechtfertigt, auf eine Sicherstellung in einem Strafverfahren wegen einer Katalogtat zu verzichten, da die beiden an ihre Stelle tretenden Kriterien (also die besonderen Verdachtselemente nach § 2 I Vermögensermittlungsgesetz und die zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Herrühren aus Straftaten) „eine qualitativ vergleichbare intensive Verdachtslage in Bezug auf das Herrühren aus einer rechtswidrigen Tat [begründen], zumal die nach diesem Gesetz anzulegenden Verdachtsmomente nach europäischem und deutschem Recht als besondere Risikofaktoren in Bezug auf Geldwäsche anerkannt sind“ (Begründung S. 57).
Der Gesetzentwurf will damit ein „echtes in-rem-Verfahren, also ein gegen verdächtige Vermögensgegenstände gerichtetes Verfahren“ schaffen (Begründung S. 34), während das geltende Strafrecht mit § 76a Abs. 4 StGB eine Sicherstellung in einem gegen eine natürliche Person gerichteten Verfahren wegen einer Katalogstraftat voraussetze und damit nur ein „in-personam-Verfahren“ biete (Begründung S. 31). Damit ließen sich zukünftig nach § 76a IV StGB auch Gegenstände einziehen, „die keiner Person zugeordnet werden können und vor diesem Hintergrund auch nicht in Zusammenhang mit einer bestimmten Tat gebracht werden können“, was ein „entscheidender Vorteil gegenüber dem bislang noch allein normierten in-personam-Verfahren sei“ (Begründung S. 33). Auch wenn sich das neue Verfahren zu keinem Zeitpunkt gegen eine Person als Beteiligter einer Straftat richtet und man aus strafrechtlicher Sicht von einem „in-rem-Verfahren“ bzw. einem „echten in-rem-Verfahren“ sprechen mag, gibt es mit den von der Einziehung Betroffenen gleichwohl Personen, die das Verfahren als nicht nur gegen einen Gegenstand, sondern auch gegen sich gerichtet ansehen dürften.
Nach § 14 II Vermögensermittlungsgesetz soll § 437 StPO unberührt bleiben. Ob dessen Kriterien für die gerichtliche Überzeugungsbildung („Ergebnis der Ermittlungen zu der Tat, die Anlass für das Verfahren war“ und Umstände, „unter denen der Gegenstand aufgefunden und sichergestellt worden ist“) geeignet sind, wenn es gerade nicht zu einem Ermittlungsverfahren und einer Sicherstellung kommt, erscheint fraglich.
5. Datenverarbeitung
Mit §§ 15–28 ist der Datenverarbeitung gut die Hälfte der Paragraphen des Vermögensermittlungsgesetzes gewidmet, zu denen auch Vorschriften über die automatisierte Datenverarbeitung gehören (§§ 15, 17); zu ähnlichen Regelungen im Gesetz zur Stärkung der risikobasierten Arbeitsweise der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen und zur Berücksichtigung der Palantir-Entscheidung des BVerfG (BVerfG 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20, [ECLI:DE:BVerfG:2023:rs20230216.1bvr154719]) s. Busch, wistra 2023, Register S. 73.
Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
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