Logo C.F. Müller
Effektivere OK-Bekämpfung durch Einziehung hochwertiger Kraftfahrzeuge

Aus wistra 12/2023

Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben bei ihrer Herbstkonferenz am 10.11.2023 in einem Beschluss auf Antrag Berlins „mit Besorgnis [festgestellt], dass durch die Anmietung von Kraftfahrzeugen durch Mitglieder der organisierten Kriminalität eine wirksame Vermögensabschöpfung häufig verhindert wird“, und den Bundesjustizminister gebeten, „eine verfassungsgemäße Erweiterung der Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen gemäß §  74a StGB – auch mit besonderem Augenmerk auf mögliche Beweiserleichterungen – oder weitere denkbare gesetzliche Ansätze, mit denen der systematischen Verhinderung von Einziehungsentscheidungen durch Mietverhältnisse entgegengewirkt werden kann, zu prüfen.“

Nach geltendem Recht können Tatprodukte, Tatmittel und Tatobjekte eingezogen werden, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen (§ 74 III StGB). Gehören die Gegenstände einem Dritten (etwa dem Vermieter eines für ein illegales Rennen oder als Fluchtfahrzeug genutzten Autos), ist ihre Einziehung nach § 74a StGB zulässig, wenn der Dritte leichtfertig dazu beigetragen hat, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder der Dritte sie in Kenntnis der Einziehungslage in verwerflicher Weise erworben hat. Grund für diese hohen Hürden ist, dass die Einziehung für den Dritten eine strafähnliche Maßnahme ist und darüber hinaus in sein Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) eingreift (vgl. BT-Drucks. IV/650, 246 f.; BGH NJW 1951, 971, 972; NJW 1964, 164, 165; LK/StGB-Lohse, § 74a Rz. 11 f.). Die Sicherungseinziehung (§ 74b StGB) bietet eine weitere Möglichkeit der Dritteinziehung: Gefährden Gegenstände nach ihrer Art und nach den Umständen die Allgemeinheit oder besteht die Gefahr, dass sie der Begehung rechtswidriger Taten dienen werden, können sie auch dann eingezogen werden, wenn sie einem anderen als dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen (§ 74b I Nr. 2 StGB). Dritte sind allerdings zu entschädigen, es sei denn sie haben wiederum leichtfertig zur Tat beigetragen oder den Gegenstand in Kenntnis der Einziehungslage in verwerflicher Weise erworben (§ 74b II, III Nr. 1 StGB).

Die Einziehung nach § 74a StGB von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Dritten ist allerdings von vornherein nur bei Straftatbeständen zulässig, die auf diese Vorschrift verweisen (§ 74 II StGB). Die entsprechenden Verweise sind nicht besonders systematisch erfolgt und finden sich fast ausschließlich bei Straftatbeständen, die ein Tatobjekt aufweisen (eine Ausnahme bildet etwa § 129b II StGB). Denn Tatobjekte können selbst beim Täter oder Teilnehmer nur dann eingezogen werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich anordnet. Wenn ein Straftatbestand Tatobjekte kennt, nimmt der Gesetzgeber daher meist einen Verweis auf § 74 StGB vor und verbindet dies regelmäßig gleich mit einem Verweis auf § 74a StGB, der aber nicht nur die Dritteinziehung von Tatobjekten, sondern auch von Tatmitteln und Tatprodukten ermöglicht. So ist beim Subventionsbetrug die rechtmäßig erhaltene, aber zweckwidrig verwendete Subvention (§ 264 I Nr. 2 StGB) Tatobjekt und der Gesetzgeber hat die Anwendung von §§ 74, 74a StGB vorgesehen (§ 264 VII 2 StGB), so dass auch bei Dritten Tatobjekte und Tatmittel eingezogen werden können. Beim klassischen Betrug (§ 263 StGB), der keine Tatobjekte kennt, hat der Gesetzgeber das nicht getan und eine Dritteinziehung von Betrugstatmitteln ist daher ausgeschlossen. Autos, die für ein illegales Straßenrennen genutzt werden, können als Tatobjekte bei Dritten eingezogen werden (§ 315f S. 1, 2 StGB). Damit können zugleich auch Tatmittel bei Dritten eingezogen werden, wie etwa ein Auto, das als Begleit- oder Transportfahrzeug der Vorbereitung oder Begehung des Rennens diente. Bei einem Einbruchsdiebstahl kann dagegen ein Fluchtfahrzeug nicht nach § 74a StGB bei einem Dritten eingezogen werden, weil in den §§ 242 ff. StGB der Verweis auf § 74a StGB fehlt.

Bereits bei ihrer Herbstkonferenz vor einem Jahr hatten sich die Justizministerinnen und Justizminister mit der „Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung“ befasst und den Bundesjustizminister um Vorlage eines gesetzlichen Regelungsvorschlags gebeten, der den Übergang vom subjektiven Verfahren in das objektive Einziehungsverfahren aus der Hauptverhandlung heraus erleichtert. Ihren Strafrechtsausschuss haben die Justizministerinnen und Justizminister um Einrichtung einer Arbeitsgruppe unter der Federführung Bremens und Berlins gebeten, die unter BMJ-Beteiligung etwaigen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf dem Gebiet der Vermögensabschöpfung identifizieren soll.

Nach dem Koalitionsvertrag (S. 107) soll die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (einschließlich sog. Clan-Kriminalität) zu einem Schwerpunkt der Sicherheitsbehörden gemacht werden, insbesondere durch „Nutzung strafrechtlicher Möglichkeiten u. a. bei der Vermögensabschöpfung“.

Zu den ersten Ergebnissen der von der WisteV zu Fragen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts gebildeten ad-hoc-Arbeitsgruppe s. Bittmann/Rübenstahl/Tschakert/Zivanic, WiJ 2022, 3.

Zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über die Einziehung und Abschöpfung von Vermögenswerten s. Busch, wistra 2022, Register 54.

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite