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Fraktion Die Linke fordert Unternehmensstrafrecht

Aus wistra 3/2023

Ein von der Fraktion Die Linke am 10.11.2022 in den Deutschen Bundestag eingebrachter Entschließungsantrag (BT-Drucks. 20/4419) fordert unter der Überschrift „Für mehr Gleichheit im Strafrecht“ die Abschaffung von „Armutsbestrafung“ und die Einführung eines Unternehmensstrafrechts.

Der Antrag beklagt, dass „Unternehmen in Deutschland Schäden in Millionenhöhe oder auch Milliardenhöhe anrichten [können], ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden. Die verurteilten Vorstandschefs oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wiederum können die ihnen auferlegten Geldstrafen ihrerseits recht einfach über den Konzern von der Steuer absetzen. Ernsthafte Konsequenzen für sie ergeben sich dadurch nicht“. Gleichzeitig befänden sich in Deutschland „geschätzte 56.000 Menschen pro Jahr in den Gefängnissen, weil sie nicht dazu in der Lage sind, die meist durch Strafbefehl verschickten und für sie zu hohen Geldstrafen zu bezahlen.“ Die darin zu sehende ungleiche Behandlung armer und reicher Menschen („Armutsbestrafung“) müsse beendet werden.

Das geforderte Unternehmensstrafrecht solle ein „eigenes Regelwerk“ darstellen, Ermittlungen auch bei „Verfehlungen im Ausland“ sowie „Gewinn- und Vermögensabschöpfungen“ ermöglichen, „Geldsanktionen, die umsatzorientiert sind“, einführen, Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen sowie ihnen Konzessionen und Lizenzen entziehen können und „als letztes Mittel die Auflösung des Unternehmens“ vorsehen.

Der Antrag nimmt Bezug auf einen Antrag aus der vorangegangenen Legislaturperiode, in dem unter der Überschrift „Deutschland braucht ein Unternehmensstrafrecht“ (BT-Drucks. 19/17983) die „Forderungen bereits zusammengefasst“ seien. Das Plenum hatte diesen Antrag am 11.4.2022 beraten (BT-Plenarprotokoll 19/95, S. 11474B) und ihn am 24.6.2022 entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT-Drucks. 19/31114) abgelehnt (BT-Plenarprotokoll 19/236, S. 30597D). 

Den nunmehr eingebrachten Antrag hat das Parlament am 26.1.2023 debattiert und an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen (BT-Plenarprotokoll 20/82, S. 9783B-9779D). Weil der Antrag zusammen mit vier weiteren Anträgen der Fraktion Die Linke auf der Tagesordnung stand (Straffreiheit für Fahren ohne Fahrschein [BT-Drucks. 20/2081], Entkriminalisierung des Containerns [BT-Drucks. 20/4421], Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe [BT-Drucks. 20/4420], Sicherstellen der Strafverteidigung von Mittellosen [BT-Drucks. 20/4416]), spielte das Unternehmensstrafrecht in der Debatte nur eine untergeordnete Rolle.

Für die FDP wies der Abgeordnete Thomae zu den fünf Anträgen darauf hin, dass in der Vergangenheit Strafrecht oft nicht die Ultima Ratio, sondern die Prima Ratio der Politik gewesen sei. Es sei deswegen „jetzt Zeit für eine Zeitenwende in der Strafrechtspolitik“, die man nunmehr einleite und 2023 auch mit einer großen Strafrechtsreform zu Ende bringen werde (BT-Plenarprotokoll 20/82, S. 9790B [9790C]). Die SPD-Abgeordnete Wegge betonte ebenfalls, dass „2023 das große Jahr des Strafrechts“ sei, was nicht bedeute, dass es ausschließlich das große Jahr des StGB sei, sondern Strafvorschriften außerhalb des Kernstrafrechts (etwa im Betäubungsmittelgesetz) einschließe (BT-Plenarprotokoll 20/82, S. 9784D [9785D]).

Der Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode sieht zur Kriminalpolitik vor: „Das Strafrecht ist immer nur Ultima Ratio. Unsere Kriminalpolitik orientiert sich an Evidenz und der Evaluation bisheriger Gesetzgebung im Austausch mit Wissenschaft und Praxis. Wir überprüfen das Strafrecht systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche und legen einen Fokus auf historisch überholte Straftatbestände, die Modernisierung des Strafrechts und die schnelle Entlastung der Justiz. Das Sanktionensystem einschließlich Ersatzfreiheitsstrafen, Maßregelvollzug und Bewährungsauflagen überarbeiten wir mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung.“ 

Zum Thema „Unternehmenssanktionen“ heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir schützen ehrliche Unternehmen vor rechtsuntreuen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern. Wir überarbeiten die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe, um die Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten zu verbessern und für interne Untersuchungen einen präzisen Rechtsrahmen zu schaffen.“ 

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

 


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