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Bayern: Cum-Ex/Cum-Cum

Aus wistra 3/2023

In Bayern wurde im Landtag nach Steuerstrafverfahren und ermittlungsbehördlichen Zwischenständen gefragt. Die Staatsministerien der Finanzen und Justiz teilen hierzu mit (Drs. 18/24074), dass sämtliche entsprechenden Verfahren in Bayern von der Staatsanwaltschaft München I geführt wurden oder werden; darüber hinaus sei die Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes München an mehreren Verfahren der Staatsanwaltschaft Köln beteiligt.

Nachdem die Cum-Ex- und Cum-Cum-Sachverhalte bei der Staatsanwaltschaft München I zunächst durch einen Staatsanwalt als Gruppenleiter bearbeitet wurden, seien seit 2016 zwei Staatsanwälte (als Gruppenleiter) mit den entsprechenden Sachverhalten befasst. Die befassten Staatsanwälte würden über die erforderliche steuerliche und steuerstrafrechtliche Expertise verfügen und stünden in einem engen fachlichen Austausch mit der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts München. Einschlägige Literatur und Rechtsprechung werde fortlaufend ausgewertet. Vor dem Hintergrund der Cum-Ex- und Cum-Cum-Sachverhalte wie auch der sonstigen bei der Staatsanwaltschaft München I anhängigen Großverfahren aus dem Steuerstrafrecht werden das Staatsministerium der Justiz zusammen mit dem Generalstaatsanwalt in München die zuständige Abteilung der Staatsanwaltschaft München I um eine zusätzliche Stelle für einen Staatsanwalt als Gruppenleiter verstärken.

Die Höhe der offenen Rückforderungen und noch in Prüfung befindlichen Beträge aus Cum-Ex-Fallkomplexen werden vom Landesamt für Steuern nach derzeitigem Stand auf zusammen etwa 299,22 Mio. EUR beziffert (offene Rückforderungen 14,26 Mio. EUR sowie etwa 284,96 Mio. EUR noch in Bearbeitung). Bei den bisher als unrechtmäßig erkannten Cum-Cum-Fällen belaufe sich diese Summe insgesamt auf rund 144,1 Mio. EUR (offene Rückforderungen 75,5 Mio. EUR sowie etwa 68,6 Mio. EUR noch in Bearbeitung). Darüber hinaus hätten Prüfungen zu weiteren Cum-Cum-Gestaltungen begonnen.

Die noch in Bearbeitung befindlichen Fallkomplexe werden – so wird mitgeteilt – im Rahmen der Ermittlungs- bzw. Rückforderungsverfahren geprüft. Die offenen Rückforderungen seien im Zuge anhängiger Rechtsbehelfsverfahren größtenteils ausgesetzt (Aussetzung der Vollziehung [AdV]). Im Übrigen könnten zu konkreten Erhebungsmaßnahmen wegen des zu wahrenden Steuergeheimnisses nach § 30 AO keine Angaben gemacht werden. Die hier gebotene Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen, dem Steuergeheimnis und dem parlamentarischen Informationsrecht rechtfertige keine Offenbarung steuerlicher Verhältnisse.

Im Hinblick auf die Cum-Cum-Gestaltungen seien strafprozessuale Maßnahmen, um Steuervorteile zurückzuerlangen, rechtlich nicht möglich gewesen, weil von der Staatsanwaltschaft München I insoweit mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für Straftaten keine Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Im Hinblick auf die Cum-Ex-Gestaltungen lägen nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft München I in der Mehrzahl der Ermittlungsverfahren in Bezug auf die Kapitalertragsteuer die Voraussetzungen für strafprozessuale vermögensabschöpfende Maßnahmen (derzeit) nicht vor. Maßnahmen zur Sicherung der Vermögensabschöpfung seien gegen zwei Beschuldigte betreffend ihrer Einkommensteuer durchgeführt worden.

Der bayerischen Finanzverwaltung sollen derzeit hinsichtlich Cum-Ex keine Fälle bekannt sein, bei denen aufgrund von Verjährungstatbeständen eine Rückforderung von Steuerbeträgen nicht mehr möglich wäre. Hinsichtlich Cum-Cum ist bei einem Fall bzw. bei einem Fall zum Teil bereits Zahlungsverjährung eingetreten. Betroffen seien die Jahre 2009 bis 2011, bei denen bereits bei Entdecken der missbräuchlichen Gestaltungen Verjährung eingetreten war (Anmerkung: Hier bleibt freilich abzuwarten, wie strafrechtlich mit den o.a. Verjährungshinweisen umzugehen ist, denn die Fristen für strafrechtliche Einziehungsentscheidungen nach §§ 73 ff. StGB laufen deutlich länger als im Steuerrecht. Zudem hätten strafrechtliche Maßnahmen sogar noch den fiskalischen „Vorteil“ für das aktive Bundesland, dass hieraus erzielte Einnahmen nicht in den Länderfinanzausgleich fallen würden, d.h. im Bundesland verbleiben, das strafrechtlich aktiv wird: Steuerrechtlich „verschlafen“ und dann strafrechtlich „zuschlagen“ – ein kalkuliertes Modell?)

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin
 


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