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Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität

Aus wistra 12/2022

In der Hamburger Bürgerschaft wurde angemerkt, dass der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität eine hohe Bedeutung zukommt (Drs. 22/8309). Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg sei die Hauptabteilung V für Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren zuständig.

Die Dezernenten in der Wirtschaftsfachabteilung (Abteilung 52) würden von Wirtschaftsreferenten unterstützt, die als justizinterne Sachverständige mit ihrem betriebswirtschaftlichen Spezialwissen bei der Aufklärung von Wirtschaftsstrafsachen, wie z.B. Insolvenzverschleppung, Kapitalanlagebetrug, Subventionsbetrug, Kreditbetrug, Untreuetatbeständen, Börsen- und Marktpreismanipulationen oder Steuerstraftaten in erheblicher Weise mitwirkten. Diese Verfahren würden – so wird weiter ausgeführt – immer komplexer.

Ausweislich der internen Controllingberichte der Staatsanwaltschaft waren in der für die Bearbeitung von Fällen der Wirtschaftskriminalität zuständigen Hauptabteilung im Jahr 2015 1.919, im Jahr 2016 1.974, im Jahr 2017 2.113, im Jahr 2018 3.117, im Jahr 2019 3.074, im Jahr 2020 2.735 und im Jahr 2021 2.746 Js-Neueingänge zu verzeichnen.

Die damit einhergehende Erledigungsstatistik sieht wie folgt aus:
 

Jahr

Erledigungsdauer (Kalendertage)

Anklagen (inkl. Strafbefehle)

§ 170 II StPO

§§ 153, 153a StPO

§ 154 StPO

Sonst. Erledigungen

2015

168

348

804

432

60

984

2016

178

348

816

504

108

972

2017

153

360

792

588

84

1.032

2018

166

396

1.056

528

96

852

2019

178

312

888

516

84

828

2020

175

348

936

468

72

816

2021

164

396

1.044

384

60

888

 

Die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen Straftaten nach § 370 AO, §§ 17, 18 AWG und § 22a KrWaffKG ist nach den statistischen Erfassungen über die letzten Jahre eher konstant geblieben, Inhalt und Umfang der Verfahren haben sich – von Einzelfällen abgesehen – nicht verändert. Seit Mitte 2020 sollen jedoch Subventionsbetrugsverfahren im Zusammenhang mit den Corona-Hilfen zunehmend Bedeutung erlangt haben. Spielte der Subventionsbetrug bis 2020 nur eine untergeordnete Rolle, dominiere die Bearbeitung dieser Verfahren mittlerweile die Arbeit der vornehmlich für Steuerstrafverfahren zuständigen Abteilung. In ihrer Komplexität sollen Subventionsbetrugsverfahren seit ca. Mitte 2021 deutlich zugenommen haben.

Die Anzahl an Verfahren, die besonders umfangreiche Ermittlungen erfordern – und in denen dadurch besonders umfangreiches Aktenmaterial auszuwerten ist –, nimmt nach Einschätzung der beiden für die Bearbeitung von allgemeinen Wirtschaftsstrafsachen zuständigen Abteilungen in den letzten Jahren zu. Dies gelte insbesondere für Verfahren zum Nachteil öffentlicher Haushalte, wie etwa dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) oder dem Betrug im Zusammenhang mit der Auszahlung von Kurzarbeitergeld (§ 263 StGB), aber auch für Verfahren zum Nachteil von Privatpersonen, etwa im Zusammenhang mit dem Betrug mittels Internet oder bei der (vermeintlichen) Anlage in Kryptowährungen. In ersteren Fällen bedienen sich die Täter – so wird ausgeführt – oftmals eines Geflechts von Scheinfirmen, das zunächst durch detaillierte Sichtung großer Mengen von Geschäftsunterlagen aufgedeckt werden muss. In den zweitgenannten Fallgestaltungen nutzen die Täter regelmäßig eine Vielzahl von im Ausland eingerichteten Bankkonten zur Vereinnahmung der erlangten Gelder, bei denen zunächst die Inhaber ermittelt und weitere Ermittlungsschritte im Ausland koordiniert werden müssen. Die Bearbeitung der genannten Verfahren werde zudem inhaltlich zunehmend anspruchsvoller, insbesondere durch begleitende Finanzermittlungen und vermögensabschöpfende Maßnahmen.

Zur Tätigkeit der Wirtschaftsreferenten wird angemerkt:

„Die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten setzt in vielen Fällen vertiefte betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraus. Dies gilt insbesondere für die Analysen und die Auswertung von Bilanzen und anderen Buchführungsunterlagen oder betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (etwa einer Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA)), aber auch für die Erstellung eines Liquiditätsstatus. Über diese Kenntnisse verfügen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aufgrund ihrer juristischen Ausbildung in der Regel nicht in ausreichendem Maße. Zwar können sie sich entsprechende Kenntnisse durch Erfahrungen aus der Bearbeitung von Fällen und durch die Wahrnehmung entsprechender Fortbildungen in gewissem Umfang aneignen. Da allerdings Täterinnen und Täter sich bei der Planung ihres Vorgehens oftmals entsprechender Fachleute bedienen, reichen derart erworbene Kenntnisse in ihrer Tiefe vielfach nicht aus. Darüber hinaus sind Wirtschaftsreferentinnen und Wirtschaftsreferenten wertvolle Ansprech- und Diskussionspartner, um den wirtschaftlichen Hintergrund hinter einem bestimmten Vorgehen zu erkennen oder um zu beurteilen, ob ein bestimmtes Geschäftsmodell einen legalen Hintergrund haben könnte oder allein auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist.“ 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


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