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Strafrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit dem Infektionsschutzänderungsgesetz

Aus wistra 1/2022

Am 24.11.2021 ist nach seinem Art. 22 I das „Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ v. 22.11.2021 (BGBl. I 4906) in Kraft getreten.

Materialien: Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, RT III (1924/27), Drucks. Nr. 3390 v. 14.5.1927; Entwurf eines Strafgesetzbuches (StGB) E 1962 (BT-Drucks. IV/650 = V/32); Entwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen/FDP, BT-Drucks. 20/15; BT., 1. Lesung, 11.11.2021 (PlProt. 20/2 S. 39 ff.); öffentliche Anhörung, 15.11.2021 (Hauptausschussprot. 20/2, 17.11.2021, S. 12, 20 f., 24 f.); Beschlussempfehlung des BT-Hauptausschusses, BT-Drucks. 20/78; Bericht des BT-Hauptausschusses, BT-Drucks. 20/89; BT, 2./3. Lesung, 18.11.2021 (PlProt. 20/3 S. 115 ff., 140, 155); Entwurf von CDU/CSU eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Impfpassfälschungen (BT-Drucks. 20/27)

Literatur: Dastis, Zur Strafbarkeit von Impfpassfälschern und von Verwendern gefälschter Impfpässe, HRRS 2021, 456; Gaede / Krüger, Unrichtige Corona Impf- und Testnachweise – Alte und neue Strafbarkeitslücken, NJW 2021, 2159, 2163 ff.; Lorenz, Fälschungen sind kein Kavaliersdelikt, medstra 2021, 210; Zieschang, Überlegungen zur Reform der §§ 277 bis 279 StGB, ZIS 2021, 481. 

1. Der Bundestag hatte am 25.3.2020 nach § 5 I 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Die Feststellung dieser epidemischen Lage wurde aufgrund von § 5 I 3 IfSG mit Ablauf des 25.11.2021 aufgehoben. Im Verlaufe dieser epidemischen Lage wurden zahlreiche gesetzliche Regelungen zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens sowie zur Abmilderung finanzieller Folgen dieser Schutzmaßnahmen getroffen. Um weiterhin notwendige Infektionsschutzmaßnahmen bis zu einer grundsätzlichen Überarbeitung des IfSG rechtssicher zu machen, waren in dem Änderungsgesetz zahlreiche Anpassungen zur zielgerichteten Bekämpfung der andauernden Pandemie erforderlich. Solche erfolgten vor allem im IfSG, u.a. aber auch im SGB II, III, V, XI und XII, im KünstlersozialversicherungsG, im BVersorgungsG, im ArbSchutzG, in der SARS-CoV-2-ArbeitsschutzVO, im BundeskindergeldG, im BAFöG und im AufstiegsfortbildungsförderungsG, im (Familien)Pflegezeitgesetz und im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz. Mit § 28a VII 1 IfSG wurde ein neuer bundesweit einheitlicher Maßnahmenkatalog geschaffen, der bis zum 19.3.2022 zur Anwendung kommen kann und auf Maßnahmen beschränkt wurde, die im Gesetzgebungsverfahren als angemessen angesehen wurden. Die je nach der regionalen Situation in den Bundesländern differenzierte Anwendung sollte dabei gewährleistet bleiben. Es war jedoch vorauszusehen, dass die gestiegene dramatische Entwicklung der Inzidenzzahlen und die damit verbundene kritische, ja sogar chaotische Lage in Krankenhäusern zu Änderungen und Ergänzungen zwingen wird. Dies ist mit dem neuen Gesetz, den vom Bundestag am 7.12.2021 beschlossenen und am 10.12.2021 vom Bundesrat gebilligten Neuerungen und von den Bundesländern zusätzlich beschlossenen Schritten (vgl. die Feststellung der epidemischen Notlage in Sachsen am 7.12.2021) geschehen. Weitere Änderungen könnten im Frühjahr 2022 erforderlich werden.

2. Die beiden Gesetzesinitianten stellten in diesem Zusammenhang auch fest, dass aufgrund der COVID 19-Pandemie Impfnachweise enorm an Bedeutung gewonnen haben, da sie für den Inhaber zur Aufhebung oder Lockerung von pandemiebedingten Einschränkungen führen können. Diese zunehmende Relevanz der Impfnachweise hatte jedoch dazu geführt, dass inzwischen Impfnachweise vermehrt gefälscht und in Umlauf gebracht wurden. Die Verwendung gefälschter Gesundheitszeugnisse kann zu erheblichen Gefahren für den Gesundheitsschutz von Dritten führen und damit Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie beeinträchtigen. Diese Situation führte dann auch zu einer kritischen Überprüfung der geltenden Vorschriften über die Fälschung von Gesundheitszeugnissen und das Ausstellen und den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§§ 277–279 StGB). Dies schließt sich an die seit mehr als 100 Jahren in zahlreichen Entwürfen zur Reform des Strafgesetzbuchs geforderte Reform der §§ 277 ff. StGB (insbesondere der Streichung von § 277 oder wenigstens von Teilen davon), die aber immer wieder liegengeblieben war (vgl. die Zusammenstellung von L. Schäfer [MR im RMJ], Deutsche Strafgesetzentwürfe von 1909 bis 1927 [1927] mit Übersicht S. 326 [darunter § 286 Vorentwurf 1909; § 191 Radbruchscher Entwurf von 1922; § 213E 1927]), weiter § 309 E-62 (BT-Drucks. IV/650; V/32; dazu auch NK-Puppe / Schuster § 277 Rz. 1 mit berechtigter Kritik an der Untätigkeit des Gesetzgebers). Die Konferenz der Justizminter(innen) hatte dann auch am 16.6.2021 das BMJV zu einer Gesetzesreform aufgefordert.

Als allgemein verfehlt wird angesehen, dass die Fälschung von Gesundheitszeugnissen und das Ausstellen und der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse gegenüber anderen Urkundendelikten strafrechtlich privilegiert sind. Kritisch betrachtet wird insbesondere die bisher allgemeine Meinung, dass § 277 die bei der Verfälschung von echten Gesundheitszeugnissen und deren täuschenden Gebrauch mögliche Strafbarkeit nach § 267 StGB verdrängt (dazu mit scharfer Kritik an § 277 mit Hinweis auch auf Unstimmigkeiten in der Tatbestandsstruktur bei Vergleich von § 277 mit § 267 StGB LK-Zieschang Rz. 1 m.w.N.; Zieschang ZIS 2021, 481; NK-Puppe / Schumann, § 277 Rz. 1, 6, 9, § 279 Rz. 6, 9, 13; LG Osnabrück, 3 Qs 38/21, 26.10.2021 (unbillig), zit. im CDU/CSU-Entwurf, BT-Drucks. 20/27, 1 f.; a.A. neuerdings [für Strafbarkeit] Dastis, a.a.O., S. 459 f.; nds. Generalstaatsanwälte nach Dastis S. 457).

Die Entwürfe greifen deshalb insbesondere die Diskrepanzen auf, die zum einen in der Tatbestandsstruktur des § 277 in seinen drei Varianten gegenüber § 267 bestehen und zum anderen, dass die in den §§ 277 ff. vorgesehenen Höchststrafen viel niedriger sind als in den §§ 267 ff. StGB. Zudem gibt es bei den §§ 277–279 StGB keine Versuchsstrafbarkeit und muss die Täuschung gegenüber einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft erfolgen. Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber den Entwürfen folgend die bestehenden Privilegierungen abgeschafft und Strafbarkeitslücken geschlossen, um die Besserstellung von Tätern von Urkundenfälschungen in Bezug auf Gesundheitszeugnisse zu beenden.

3. Der neue § 277 StGB (Fälschung von Gesundheitszeugnissen) beschränkt sich mit Änderungen auf die bisherige 1. Variante des § 277 a.F. Die darin enthaltene Qualifikationstäuschung unterfällt nicht § 267, da es sich um eine sog. „schriftliche Lüge“ handelt. Dem Vorschlag von Zieschang (ZIS 2021, 481, 483), auch diese Alternative zu streichen, da sich ein ausreichender Schutz aus § 132a StGB (Missbrauch von Titel, Berufsbezeichnungen) bestehe, folgte der Gesetzgeber angesichts der unterschiedlichen Schutzzwecke und des weitergehenden Begriffs der „approbierten Medizinalperson in § 277 (E S. 33 f.) nicht. Die §§ 277–279 StGB wurden – wie früher schon in Reformentwürfen vorgeschlagen – so geändert, dass sich die Tatbestände nicht mehr nur auf die Täuschung von Behörden und Versicherungsgesellschaften beschränken, sondern generell auf die Täuschung im Rechtsverkehr abstellen. Bereits die Erstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse führe zu einer Gefahr für den Rechtsverkehr. Eine Täuschung im Rechtsverkehr liegt vor, wenn der Täter davon ausgehe, dass das unrichtige Gesundheitszeugnis gegenüber einer anderen Person zum Einsatz kommen wird, um diese zu einem rechtlich erheblichen Verhalten zu veranlassen. Darüber hinaus wurde § 277 dadurch ausgeweitet, dass auf das zusätzliche Erfordernis des Gebrauchmachens verzichtet wird, wodurch § 277 wie § 267 zu einem einaktigen Delikt wird. Durch die im Gesetzgebungsverfahren auf Empfehlung der Sachverständigen Eisele und Zieschang hinzugefügte Subsidiaritätsklausel in § 277 I und § 279 StGB wurde sichergestellt, dass unter § 277 und § 279 StGB künftig nur noch die Fälle erfasst werden, die bisher nicht unter § 267 StGB gefallen sind. Von § 267 und § 269 wird demgemäß die Herstellung eines unechten Gesundheitszeugnisses, das Verfälschen eines echten Gesundheitszeugnisses und der Gebrauch eines unechten oder verfälschten Zeugnisses erfasst. Dies führt in den Fällen, die an sich schon bisher von § 267 erfasst, aber bisher von § § 277 und 279 verdrängt wurden, nunmehr höhere Freiheitsstrafen verhängt werden können. Darüber hinaus wurden im Gesetzgebungsverfahren bei den von § 267 nicht erfassten Fällen in § 277 II und § 278 II besonders schwere Fälle in teilweiser Anlehnung an § 267 III Nr. 1 StGB mit höheren Strafdrohungen (von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) hinzugefügt. Besonders verwerfliche und in ihren Auswirkungen besonders gefährliche Urkundenfälschungen in Bezug auf Impfnachweise hinsichtlich bedrohlicher übertragbarer Krankheiten sind das Hauptbeispiel für solche besonders schweren Fälle (andere Beispiele im CDU/CSU-Entwurf in Anlehnung an § 267 III Nr. 1, 3 StGB).

Die Tatbestände der §§ 277–279 StGB lauten nun wie folgt (Änderungen kursiv):

§ 277 Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen 
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriten dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist. 

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unbefugtem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unbefugt ausstellt. 

§ 278 Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse 

(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unrichtigem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unrichtig ausstellt. 

§ 279 Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse 

Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.“ 

4. In der Entwurfsbegründung (S. 32) wird ausgeführt, dass nicht sicher sei, ob § 267 und § 277 StGB auch einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz gegen Fälschung von Blankett-Impfausweisen bieten würden (zur Reichweite der Strafbarkeit bei Blankettfälschungen s. zu § 267 LK-Zieschang Rz. 186 ff.; MK-Erb Rz. 121; AnwK-Krell Rz. 32; gegen Strafbarkeit bei abredewidriger Ausfüllung von Blanketten: NK-Puppe / Schumann Rz. 81; differenzierend Arzt/Weber/Heinrich BT § 31 Rz. 18; straflos die täuschende Verwendung eines nicht ausgefüllten Blanketts: Fischer, Rz. 32). Deshalb haben der Entwurf der „Ampelkoalition“ und der Gesetzgeber sich dafür entschieden, zum Schutz des Rechtsverkehrs vor unrichtigen Impfausweisen den Tatbestand des § 275 StGB (Vorbereitung der Fälschung von amtlichen Ausweisen) um die Variante „Vorbereitung der Herstellung von Impfausweisen“ zu erweitern. Diese werden i.d.R. nicht durch Behörden, sondern durch Ärzte und deren Personal erstellt. Um Manipulationen in diesem Bereich effektiver entgegenzutreten, wurde § 275 um den Abs. 1a erweitert:

„(1a) Wer die Herstellung eines unrichtigen Impfausweises vorbereitet, indem er in einem Blankett-Impfausweis eine nicht durchgeführte Schutzimpfung dokumentiert oder einen auf derartige Weise ergänzten Blankett-Impfausweis sich oder einem anderen verschafft, feilhält, verwahrt, einem anderen überlässt oder einzuführen oder auszuführen unternimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 

Vom „Dokumentieren“ sollen alle Konstellationen des handgefertigten oder maschinellen Hineinschreibens oder -druckens von Einträgen, aber auch des Einklebens, Anheftens oder ähnlicher Verbindungshandlungen erfasst werden. Sonstige Tathandlungen entsprechen § 275 I. Die Strafschärfung in Abs. 2 bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung wird auch auf diese Neuerung erstreckt (E S. 32 f.).

Dr. Manfred Möhrenschlager, Bonn-Oberkassel


Verlag C.F. Müller

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