Logo C.F. Müller
Erweiterung der EU-Strafgesetzgebungskompetenz auf Sanktionsverstöße

Aus wistra 8/2022

Zweites Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung 

Materialien:
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks. 20/1633); Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks. 20/1961), Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/2387) 

Der Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung wurde am 23.6.2022 vom Bundestag angenommen; der Bundesrat hat am 8.7.2022 zugestimmt. Der neue § 238 Ia AO senkt den Satz für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen (§ 233a AO) für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 rückwirkend von bisher 0,5 % pro Monat auf 0,15 % pro Monat (d.h., 1,8 % pro Jahr; bisher: 6 %) und passt ihn damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben an. Das BVerfG hatte 2021 entschieden, dass die Vollverzinsung nach § 233a AO dem Grunde nach verfassungsgemäß ist, der dabei angewendete feste Zinssatz von 0,5 % monatlich aber seit 2014 hätte angepasst werden müssen (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, wistra 2022, 73). Nach der Neuregelung ist die Angemessenheit des Zinssatzes nunmehr mindestens alle zwei Jahre zu evaluieren, wobei die erste Evaluierung mit Blick auf die von der EZB angekündigte Zinserhöhung spätestens zum 1.1.2024 erfolgen soll und nicht (wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen) erst zum 1.1.2026 (§ 238 Ic AO; BT-Drucks. 20/2387, 6, 13 f.).

Steuerstraftäter profitieren von der Neuregelung nicht, da sie nur für Zinsen nach § 233a AO gilt, nicht aber für Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) und sonstige Zinsen. Die Begründung des Regierungsentwurfs führt dazu aus: „Die Entscheidung des BVerfG erstreckt sich ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs , Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen [...]. Die Frage, ob auch für andere Zinsen nach der AO oder den Einzelsteuergesetzen als Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO sowie für Säumniszuschläge nach § 240 AO eine Neuregelung des Zinssatzes erfolgen soll, soll nicht in diesem Gesetz beantwortet werden. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, dass das BVerfG eine Erstreckung seiner zu den §§ 233a und 238 AO ergangenen Entscheidung auf Stundungs , Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen bewusst unterlassen hat, weil ‚die Verwirklichung des Zinstatbestands und damit die Entstehung von Zinsen grundsätzlich auf einen Antrag der Steuerpflichtigen zurückzuführen ist oder − wie insbesondere im Fall der Hinterziehungszinsen – jedenfalls von ihnen bewusst in Kauf genommen wird. Steuerpflichtige haben daher – anders als bei der Vollverzinsung − grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Absatz 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehmen oder ob sie die Steuerschuld tilgen und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschaffen‘ (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, Rn. 243). [...] Eine Differenzierung des für Hinterziehungszinsen und andere Zinsen nach der AO geltenden Zinssatzes wäre schwerlich zu rechtfertigen, da Hinterziehungszinsen keinen Strafcharakter haben. Eine Senkung des Zinssatzes für alle Zinsen könnte aber bei Hinterziehungszinsen in der Öffentlichkeit den − unzutreffenden − Eindruck erwecken, dass Steuerhinterziehung weniger als bisher verfolgt und geahndet werden soll“ (BT-Drucks. 20/1633, 11).

Oberstaatsanwalt beim BGH (Referatsleiter im BMJ) Markus Busch LL.M. (Columbia University), Berlin
Der Text gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder.

 


Verlag C.F. Müller

zurück zur vorherigen Seite