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Aus dem Bundestag

Aus wistra 2/2022

Illegale Beschäftigung

Die (Alt-)Bundesregierung hatte zum Ende der letzten Legislaturperiode ihren 14. Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung vorgelegt (BT-Drucks. 19/31265). Der Bericht stellt entsprechend dem Auftrag des Deutschen Bundestages die Entwicklung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung dar. Er beschränkt sich dabei wie die vorangegangenen Berichte nicht allein auf die Erfahrungen mit dem BillBG bzw. seit 2004 mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG), sondern stellt die Entwicklung im gesamten Bereich der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung für die Jahre 2017 bis einschließlich 2020 dar.

Zu allgemeinen Begrifflichkeiten wird wie folgt ausgeführt:

Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung erfüllen zumeist mehrere Tatbestände, die in diesem Bericht regelmäßig getrennt nach dem Stammgesetz aufgeführt werden. Die Darstellung im Bericht orientiert sich an dem Schwerpunkt der jeweiligen Begehungsweise und ordnet diese dem jeweiligen Stammgesetz zu. So gehen beispielsweise Mindestlohnverstöße mit Beitragsausfällen der Sozialversicherung einher. Deshalb sind die nachfolgend dargestellten besonderen Begehungsweisen oftmals nicht isoliert auf das jeweilige Stammgesetz, sondern auch im Kontext der anderen Rechtsvorschriften zu betrachten.
Schwarzarbeit ist in § 1 Absatz 2 SchwarzArbG definiert. Schwarzarbeit leistet demnach, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei:

  • als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
  • als Steuerpflichtiger seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
  • als Empfänger von Sozialleistungen seine Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
  • oder als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen
    • seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte nicht erworben hat oder
    • als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Darüber hinaus leistet Schwarzarbeit auch, wer vortäuscht, eine Dienst- oder Werkleistung zu erbringen oder ausführen zu lassen, und wenn er selbst oder ein Dritter dadurch Sozialleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, SGB III) zu Unrecht bezieht.

Im Berichtszeitraum wurde mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch zum 18. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) in § 1 Absatz 3 SchwarzArbG die illegale Beschäftigung gleichfalls legal definiert. Danach übt eine illegale Beschäftigung aus, wer

  • Ausländer und Ausländerinnen als Arbeitgeber unerlaubt beschäftigt oder als Entleiher unerlaubt tätig werden lässt,
  • als Ausländer oder Ausländerin unerlaubt eine Erwerbstätigkeit ausübt,
  • als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
    • ohne erforderliche Erlaubnis nach § 1 Absatz 1 Satz 1 AÜG oder
    • entgegen den Bestimmungen nach § 1 Absatz 1 Satz 5 und 6, § 1a oder § 1b AÜG überlässt oder für sich tätig werden lässt,
  • als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt, ohne dass die Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes (MiLoG), des Arbeitnehmer- Entsendegesetzes (AEntG) oder des § 8 Absatz 5 AÜG in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 Satz 1 AÜG eingehalten werden, oder
  • als Arbeitgeber Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen beschäftigt.“

Nahezu alle, insbesondere die lohnintensiven Wirtschaftszweige, seien von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung betroffen. Nach den Erfahrungswerten der zuständigen Prüf- und Kontrollbehörden und der betroffenen Wirtschaftskreise lägen die Schwerpunkte der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung vorrangig in den in § 2a Abs. 1 SchwarzArbG sowie in § 28a Abs. 4 S. 1 SGB IV genannten Branchen:

  • dem Baugewerbe (einschl. Baunebengewerbe),
  • dem Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
  • dem Personenbeförderungsgewerbe,
  • dem Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe,
  • dem Schaustellergewerbe,
  • den Unternehmen der Forstwirtschaft,
  • dem Gebäudereinigungsgewerbe,
  • den Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
  • der Fleischwirtschaft,
  • dem Prostitutionsgewerbe und
  • dem Wach- und Sicherheitsgewerbe.

Als „zentralen Meilenstein“ innerhalb des Berichtszeitraums wird das am 18.7.2019 in Kraft getretene Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch dargestellt. Mit dem Gesetz habe die FKS zusätzliche Aufgaben und Befugnisse erhalten, es seien neue Bußgeldtatbestände geschaffen, Verfahrensrechte der FKS gestärkt sowie die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden verbessert worden.

Hingewiesen wird auf die in § 2 Abs. 4 S. 1 SchwarzArbG angeführten Zusammenarbeitsbehörden der FKS:

  • Finanzbehörden,
  • Bundesagentur für Arbeit, auch in ihrer Funktion als Familienkasse,
  • Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen,
  • Einzugsstellen (§ 28i SGB IV),
  • Träger der Rentenversicherung,
  • Träger der Unfallversicherung,
  • gemeinsame Einrichtungen und zugelassene kommunale Träger nach dem SGB II sowie die Bundesagentur für Arbeit als verantwortliche Stelle für die zentral verwalteten IT-Verfahren nach § 50 Abs. 3 SGB II,
  • die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden,
  • die in § 71 Abs. 1 bis 3 AufenthG genannten Behörden,
  • Bundesamt für Güterverkehr,
  • die nach Landesrecht für die Genehmigung und Überwachung des Gelegenheitsverkehrs mit Kraftfahrzeugen nach § 46 PBefG zuständigen Behörden,
  • die nach Landesrecht für die Genehmigung und Überwachung des gewerblichen Güterkraftverkehrs zuständigen Behörden,
  • die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden,
  • Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder auf Ersuchen im Einzelfall,
  • nach Landesrecht für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach diesem Gesetz zuständige Behörden,
  • die nach § 14 GewO für die Entgegennahme der Gewerbeanzeigen zuständigen Stellen,
  • die nach Landesrecht für die Überprüfung der Einhaltung der Vergabe- und Tariftreuegesetze der Länder zuständigen Prüfungs- oder Kontrollstellen,
  • die nach Landesrecht für die Entgegennahme der Anmeldung von Prostituierten nach § 3 ProstSchG und für die Erlaubniserteilung an Prostitutionsgewerbetreibende nach § 12 ProstSchG zuständigen Behörden,
  • die nach Landesrecht für die Erlaubniserteilung nach § 34a GewO zuständigen Behörden und die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien i.S.d. § 4 Abs. 2 TVG.

Als besondere Erscheinungsform der Schwarzarbeit wird die sog. Scheinselbständigkeit benannt:

„Eine besondere Begehungsweise stellt nach wie vor die Scheinselbstständigkeit dar. Scheinselbstständigkeit ist gegeben, wenn eine erwerbstätige Person als formell selbstständiger Unternehmer (Auftragnehmer) auftritt, obwohl sie tatsächlich im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB IV abhängig beschäftigt ist. Charakteristisch für die Scheinselbstständigkeit ist, dass zu Unrecht das Bestehen einer Sozialversicherungspflicht verneint und damit die Abführung der Sozialabgaben vermieden wird, ebenso wie ggf. die Zahlung von Mindestlöhnen oder die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, die bei Selbstständigen nicht zu beachten sind. Prüfungen und Ermittlungen ergeben häufig, dass vermeintlich Selbstständige persönlich weisungsgebunden und in eine fremde Betriebsstruktur eingebunden sind, beispielsweise dem Direktionsrecht ihres vermeintlichen Auftraggebers unterliegen, nicht über eigenes Material und Maschinen verfügen und die Abrechnung auf Stundenbasis vornehmen, so dass es sich bei Berücksichtigung aller Umstände der Vertragsabwicklung tatsächlich um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse handelt. Scheinselbstständigkeit ist nach wie vor in nahezu allen Wirtschaftsbereichen vorzufinden und nicht auf Einzelfälle beschränkt.“

Als Verschleierungsform, Lohnnebenkosten zu reduzieren, wird das Lohnsplitting angesprochen:

„Die Versicherungspflicht für das Beschäftigungsverhältnis wird seitens der Arbeitgeber dadurch verschleiert, dass diese statt der korrekten Angaben über das bestehende Beschäftigungsverhältnis gegenüber dem Träger der Sozialversicherung mehrere fiktive beitragsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zur Sozialversicherung anmelden. Weiterhin werden Fälle von Lohnsplitting im Rahmen von bestimmten steuer- und sozialabgabenoptimierten Entlohnungsmodellen festgestellt. Hierbei werden zu fest vereinbarten (niedrigen) Grundlöhnen steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile, wie z. B. Auslösung, Spesen, Fahrtkostenzuschüsse, Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge, in den Endlohn eingerechnet. Die Einrechnung geschieht zum Teil mittels EDV-Unterstützung, welche die maximal möglichen Zuschläge ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitsumstände berechnet. Steuerfrei und nicht sozialversicherungsrelevant sind diese Zuschläge jedoch nur, wenn sie zweckgemäß, also z. B. für zu unüblichen Zeiten geleistete Arbeit, gezahlt werden.“

Scheinrechnungen werden ebenfalls herausgestellt:

„Von Arbeitgebern werden weiterhin teilweise inhaltlich unrichtige Rechnungen (Schein- oder Abdeckrechnungen) verwendet, um unter anderem Schwarzlohnzahlungen für nicht zur Sozialversicherung gemeldete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verschleiern. Dies erfolgt verstärkt durch Vortäuschen von Dienst- oder Werkverträgen. Hierzu werden häufig Scheinfirmen selbst gegründet oder gegen Zahlung einer Provision in Anspruch genommen (sog. Servicefirmen), die Schein- oder Abdeckrechnungen in den Wirtschaftskreislauf einbringen und dies „wie eine Dienstleistung“ anbieten. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden teils über die gegründeten Scheinfirmen zur Sozialversicherung – oftmals im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung – angemeldet und formal im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages eingesetzt. Die Scheinfirma führt die fälligen Beiträge nicht oder nur teilweise an die Sozialversicherungsträger ab. Bei Prüfungen entsteht dann der Eindruck, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorschriftsgemäß bei der Sozialversicherung angemeldet sind. Faktisch sind sie jedoch in die Arbeitsorganisation des tatsächlichen Arbeitgebers eingegliedert und arbeiten weit mehr als die angezeigten Stunden. Die Scheinfirma erstellt und verkauft über die vermeintlich erbrachten Leistungen Rechnungen (sog. Abdeckrechnungen), die der tatsächliche Arbeitgeber (Rechnungskäufer) als Aufwand verbucht und bezahlt. Der Inhalt der Abdeckrechnungen wird durch die Rechnungskäuferin oder den Rechnungskäufer detailliert vorgegeben. Die auf dem Konto der Scheinfirma gutgeschriebenen Rechnungsbeträge werden zeitnah vom Konto in bar verfügt und abzgl. der Provision von der Betreiberin oder dem Betreiber der Scheinfirma an die Rechnungskäuferin oder den Rechnungskäufer zurückgegeben und stehen dort als Schwarzgeld zur Verfügung. Mit diesem so generierten Schwarzgeld kann die Rechnungskäuferin oder der Rechnungskäufer u.a. Schwarzlöhne an ihre/seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszahlen oder verdeckte Gewinnentnahmen durchführen.

Die Gründung solcher Firmenkonstellationen erfolgt EU-weit und ist meist zeitlich begrenzt. Nach einer variierenden „aktiven“ Nutzungsdauer werden diese Scheinfirmen „bestattet“ und anschließend durch eine neue Scheinfirma ersetzt. Als verantwortlich Handelnde werden oftmals wirtschaftlich unerfahrene natürliche Personen eingesetzt, die sich nicht in Deutschland aufhalten, oder es werden Aliasidentitäten verwendet. Für diese Verschleierungsform wird auch der Begriff des „Kettenbetruges“ verwendet, da in der Praxis nicht selten mehrere Scheinfirmen „wie eine Kette“ hintereinandergeschaltet sind.

Bei der Gründung und dem Betrieb der Scheinfirmen agieren immer häufiger kriminelle Banden in organisierten Strukturen und erschweren damit die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden. Den Tätern fließen dabei aufgrund der vereinnahmten Provisionen in erheblichem Umfang Gewinne zu .... Zur Verschleierung von Schwarzarbeit ... werden durch Arbeitgeber aber auch „reine“ nicht leistungshinterlegte Scheinrechnungen verwendet. Im Gegensatz zu der vorgenannten Form der Verschleierung sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier bei dem tatsächlichen Arbeitgeber sozialversicherungsrechtlich gemeldet. Allerdings erhalten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neben der regulären Lohnzahlung ergänzend weitere Zahlungen als Schwarzlohn, der durch das Einbuchen fingierter Fremdleistungen als Aufwand in der Buchhaltung aktiver Firmen generiert wird.“

Die Arbeitsergebnisse der FKS stellen sich im Berichtszeitraum wie folgt dar:

Prüfung von Arbeitgebern

2017 2018  2019 2020
52.209 53.491 54.733 44.702


Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Straftaten

2017 2018  2019 2020
107.903 111.004 114.997 104.787


Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Straftaten

2017 2018  2019 2020
107.941 108.807 115.958 106.565


Eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten

2017 2018  2019 2020
26.142 28.466 31.366 28.772

 

Übernommene Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten

2017 2018  2019 2020
28.666 30.147 32.264 28.558

 

Abgeschlossene Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten

2017 2018  2019 2020
48.828 52.579 57.248 52.173

 

Summe der Geldstrafen aus Urteilen und Strafbefehlen (Mio. EUR)

2017 2018  2019 2020
31,6 33,4 36,6 29,8

 

Summe der festgesetzten Geldbußen, Verwarnungsgelder und Verfall (Mio. EUR)

2017 2018  2019 2020
64,4 49,3 57,4 46,4

 

Summe der vereinnahmten Geldbußen, Verwarnungsgelder und Verfall (Mio. EUR)

2017 2018  2019 2020
26,5 20,4 24,5 23,1

 

Schadenssummen im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen Ermittlungen (Mio. EUR)

2017 2018  2019 2020
967,3 834,8 755,4 816,5

 

Summe der erwirkten Freiheitsstrafen (in Jahren)

2017 2018  2019 2020
1.648 1.715 1.891 1.827

 

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

 


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