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Vollstreckungsstellen der Finanzämter

Aus wistra 11/2021

Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz moniert in seinem Jahresbericht 2021, dass Mängel in der Fallbearbeitung in den Vollstreckungsstellen der Finanzämter nicht abgestellt worden seien. Die Vollstreckungsstellen hätten Fehlentwicklungen, die der Rechnungshof bereits bei früheren Prüfungen festgestellt hatte, nicht behoben:

  • Sie gewährten Vollstreckungsaufschub, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht nachgewiesen waren.
  • Stundungs- und Erlassanträge bearbeiteten sie weiterhin uneinheitlich.
  • Die Möglichkeiten zur Einholung der Vermögensauskunft nutzten sie unzureichend.

Die zugesagte Steuerung der Vollstreckungsstellen über Zielvereinbarungen und Leistungsvergleich war – so führt der Rechnungshof weiter aus – nur „in Ansätzen“ vorhanden. Angekündigte vermehrte Innenrevisions- und Geschäftsprüfungen zur Absicherung von Verbesserungsprozessen seien unterblieben.

In allen 22 Finanzämtern des Landes Rheinland-Pfalz sind ausweislich des Berichts Vollstreckungsstellen eingerichtet. Die mit einer Zusammenfassung der Vollstreckungsstellen an einem Standort verbundenen Vorteile einer Spezialisierung bei gleichzeitiger Straffung der Organisation habe die Steuerverwaltung bisher aber nicht genutzt. Die Vollstreckungsstellen arbeiteten digital, kommunizierten aber mit Dritten weitgehend analog. Diese Medienbrüche würden zu vermeidbarem Aufwand führen. Verfahrensverbesserungen ließen sich zudem durch eine Änderung gesetzlicher Regelungen und über eine Verknüpfung von Datenbanken zur zeitnahen und umfassenden Ermittlung der Vermögensverhältnisse der Steuerschuldner erzielen.

Zur Gewährung von Vollstreckungsaufschub heißt es:
„Kommt ein Schuldner seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nach, hat die Steuerverwaltung die geschuldete Leistung zeitnah beizutreiben. Ausnahmsweise können die Finanzämter Vollstreckungsaufschub gewähren, soweit die Vollstreckung im Einzelfall unbillig ist. Unbilligkeit liegt nur vor, wenn die Vollstreckung dem Steuerschuldner einen unangemessenen Nachteil bringen würde, der durch kurzfristiges Zuwarten oder durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme vermieden werden kann.
Nach den vom Landesamt für Steuern zur Verfügung gestellten Statistiken gewährten die Finanzämter in den Jahren 2016 bis 2018 durchschnittlich landesweit in fast 4.500 Fällen Vollstreckungsaufschub. Dies entsprach weniger als der Hälfte dieser Billigkeitsmaßnahmen im Zeitraum von 2007 bis 2009. Dennoch belegen die Ergebnisse der aktuellen Prüfung durch den Rechnungshof, dass noch immer zu vielen Anträgen entsprochen wurde.
So hat der Rechnungshof stichprobenweise 257 von insgesamt 1.089 Fällen untersucht, in denen die vier in die Erhebungen einbezogenen Finanzämter Vollstreckungsaufschub gewährt hatten. Betroffen waren sowohl Fälle mit geringen als auch mit höheren Steuerrückständen. Lediglich in einem Fall erachtete der Rechnungshof die Gewährung des Vollstreckungsaufschubs für vertretbar; der Steuerschuldner hatte Umstände vorgetragen, die das Vorliegen einer Unbilligkeit der Vollstreckung als sehr wahrscheinlich erscheinen ließen. In einer Vielzahl von Fällen, insbesondere bei kleineren Beträgen mit kurzen Laufzeiten, hatten die Steuerpflichtigen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Vollstreckungsaufschubs nicht einmal schlüssig vorgetragen.
Das Landesamt hat erklärt, die rechtlichen Tatbestände zum Vorliegen der Unbilligkeit seien in Schulungen ausführlich behandelt worden. Zudem sei ein Prüfungsschema vorgestellt worden. Von der bislang praktizierten Bearbeitungsweise solle insbesondere aus verwaltungsökonomischen Gründen nicht gänzlich abgesehen werden. Im Rahmen der Neukonzeption des Risikomanagementsystems werde eine Überprüfung der Fallgruppen sowie der Entscheidungshilfen erfolgen.
Hierzu bemerkt der Rechnungshof, dass den Anweisungen in der Vollstreckungskartei zufolge die Kriterien des Vollstreckungsaufschubs konsequent zu prüfen sind. Er erachtet es im Hinblick auf die restriktiv zu handhabende Ausnahmevorschrift für notwendig, dass der Vollstreckungsschuldner das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale in allen Fällen schlüssig darlegt.“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


Verlag C.F. Müller

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