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Steuerhinterziehung und Geldwäsche

Aus wistra 8/2021

Im Bundestag wurde gefragt, welche Fach- und Strafverfolgungsbehörden die BaFin über bei der BaFin-Tätigkeit anfallende Hinweise auf Straftaten wie Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu informieren hat und welche Regelungen seit dem Jahr 2007 gelten. In der Antwort (BT-Drucks. 19/29651) wird ausgeführt, dass eine Anzeige- bzw. Informationspflicht der BaFin hinsichtlich der bei der Aufsichtstätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen gegenüber Strafverfolgungsbehörden und anderen öffentlichen Stellen im Hinblick auf Straftaten voraussetzt, dass diese Pflicht gesetzlich normiert ist. Entsprechende Pflichten für die BaFin ergeben sich aus folgenden gesetzlichen Vorschriften:

  • § 116 AO gegenüber dem BZSt oder der für das Steuerstrafverfahren zuständigen Behörde bei Verdacht auf Steuerstraftaten. Dazugehörige Verschwiegenheitspflichten sind zu beachten, z. B. gemäß § 9 Abs. 5 KWG, § 21 Abs. 2 WpHG, § 19 WpPG, § 309 VAG oder § 10 Abs. 1 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG).
  • § 44 GwG seit 2017 gegenüber der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) bei Tatsachen, die darauf hindeuten, dass ein Vermögensgegenstand mit Geldwäsche oder mit Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang steht. Zuvor war eine entsprechende Meldepflicht in § 14 Abs. 1 Satz 1 GwG a. F. normiert. Die Meldung war beim BKA – Zentralstelle für Verdachtsmeldungen – und der zuständigen Strafverfolgungsbehörde zu erstatten.
  • § 11 WpHG gegenüber der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft bei Verdacht auf Straftaten nach § 119 WpHG. Vor der Neufassung des WpHG durch das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz 2017 war die Pflicht zur Anzeigeerstattung in § 4 Abs. 5 WpHG a. F. (ab dem 30. Oktober 2004) bzw. § 18 WpHG a. F. (bis zum 29. Oktober 2004) normiert.
  • § 110 Abs. 1 WpHG seit 2004 gegenüber der für die Verfolgung zuständigen Behörde bei Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Unternehmens begründen. Vorgängervorschrift war inhaltsgleich bis 2018 der § 37r Abs. 1 WpHG a. F.
  • § 110 Abs. 2 Satz 1 WpHG seit 2016 gegenüber der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bei Tatsachen, die auf das Vorliegen einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer schließen lassen. Zuvor war die Meldung gegenüber der Wirtschaftsprüferkammer abzugeben.
  • § 110 Abs. 2 Satz 2 WpHG seit 2004 gegenüber der zuständigen Börsenaufsichtsbehörde bei Tatsachen, die auf das Vorliegen eines Verstoßes des Unternehmens gegen börsenrechtliche Vorschriften schließen lassen.
  • § 41 Abs. 1 OWiG gegenüber der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft, wenn während eines laufenden Bußgeldverfahrens Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat eine Straftat ist.
  • § 84a Abs.1 Wirtschaftsprüferordnung (WiPrO) a. F. verpflichtete die BaFin bis zum Jahr 2016, bestimmte Tatsachen im Zusammenhang mit der Berufsausübung von Wirtschaftsprüfern der zuständigen Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Nach einer Gesetzesnovelle findet sich die entsprechende Vorschrift nunmehr in § 65WiPrO. Adressat der Anzeigepflicht sind jedoch nicht mehr alle Behörden, sondern ausschließlich die Wirtschaftsprüferkammer oder die Abschlussprüferaufsichtsstelle, weshalb eine Anzeigepflicht für die BaFin nunmehr ausscheidet.
  • § 24 Abs. 8 VermAnlG seit 2015 gegenüber der für die Verfolgung zuständigen Behörde bei Tatsachen, die den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung eines Emittenten von Vermögensanlagen begründen.
  • Art. 136 SSM-Rahmenverordnung (EZB/2014/17) seit 2014, wenn die EZB die BaFin ersucht, im Einklang mit dem nationalen Recht an die zuständigen Ermittlungsbehörden und ggf. die Strafverfolgungsbehörden zu verweisen.
  • § 138 StGB allgemeine Anzeigepflicht bzgl. Katalogstraftaten. Für die BaFin ist vorrangig § 138 Abs. 1 Nr. 4 StGB relevant (Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 StGB oder Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und Vordrucken für Euroschecks in den Fällen des § 152b Abs.1 bis 3 StGB).

Die BaFin prüfe ferner in jedem Einzelfall, ob sie unabhängig von einer gesetzlichen Anzeigepflicht die Strafverfolgungsbehörden über Sachverhalte informiert, die einen möglichen strafrechtlichen Bezug aufweisen. Eine solche Befugnis der BaFin sei u. a. in § 9 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KWG geregelt. Danach können Tatsachen an Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte weitergegeben werden, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Die BaFin mache von dieser Befugnis regelmäßig Gebrauch, auch im Wege der Amtshilfe auf Ersuchen einer Strafverfolgungsbehörde.

In Bezug auf Steuerstraftaten sei die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die BaFin bis zum 6.11.2015 eine Anzeige nach § 116 AO wegen des Verdachts einer Steuerstraftat nur beim Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses oder soweit es sich um vorsätzlich falsche Angaben des Auskunftspflichtigen oder der für ihn tätigen Personen handelte, erstatten durfte (vgl. § 9 Abs. 2 KWG a. F. [bis 2013] bzw. § 9 Abs. 5 KWG a. F. [bis 2015]). Ein zwingendes öffentliches Interesse sei in Anlehnung an die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO u. a. zu bejahen gewesen, wenn die Anzeige zur Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl, einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zum Schutz des Vertrauens in den Staat und seiner Einrichtungen nötig war. Zwar habe für die BaFin schon seit jeher die Befugnis bestanden, Informationen, die ihrer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, an Strafverfolgungsbehörden, etwa Staatsanwaltschaften, weiterzugeben. Allerdings sei zu beachten, dass der Gesetzgeber für Tatsachen, die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, eine spezielle Anzeigepflicht gegenüber dem BZSt normiert hat. Bis in das Jahr 2015 hinein habe eine solche Anzeige gegenüber dem BZSt das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Verfolgung der Tat erfordert. Eine Anzeige exakt desselben Sachverhalts bei einer Staatsanwaltschaft auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KWG statt bei dem BZSt nach § 116 AO hätte für die BaFin eine Umgehung dieser in § 9 Abs. 2 bzw. Abs. 5 KWG (a. F.) vorgesehenen erhöhten gesetzlichen Anforderung für eine Anzeigeerstattung bedeutet. Insoweit habe § 9 Abs. 2 bzw. Abs. 5 KWG (a. F.) in Bezug auf Steuerstraftaten eine Sperrwirkung gegenüber der allgemeinen Befugnis zur Weitergabe vertraulicher Informationen an Strafverfolgungsbehörden entfaltet.

Mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz sei im Jahr 2015 die Anwendbarkeit der in der Abgabenordnung enthaltenen Auskunfts-, Vorlage-, Amtshilfe- und Anzeigepflichten gegenüber Steuerbehörden auf die BaFin inhaltlich erweitert worden, indem die Voraussetzung des zwingenden öffentlichen Interesses im KWG, VermAnlG, WpHG, WpPG und im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) gestrichen wurde (vgl. BT-Drucks. 18/5009). Insoweit stelle sich die damalige Abgrenzungsproblematik in Bezug auf Steuerstraftaten einerseits und sonstige Straftaten andererseits nach aktueller Rechtslage nicht mehr.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


Verlag C.F. Müller

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