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Cum-Ex

Aus wistra 4/2020

Am 29.1.2020 sind im Bundestag ein Antrag zum Thema „Cum/Ex-Steuerskandal unverzüglich beenden“ (BT-Drucks. 19/5765) sowie „Steuerskandale wie Cum/Ex zukünftig verhindern“ (BT-Drucks. 19/16836)  beraten worden (Plenarprotokoll 17800 ff.). Beide Vorgänge wurden – nach leidenschaftlicher Diskussion – in den Finanzausschuss übertragen (a.a.O., S. 17808).

Aus der Debatte sind beispielhaft folgende Passagen einzelner Abgeordneter hervorzuheben:

„Denn inzwischen ist klar:
Erstens. Cum/Ex ist der größte Steuerskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit einem Schaden von mindestens 10 Milliarden Euro.
Zweitens. Cum/Ex ist auch ein europäischer Steuerskandal mit einer Dimension von geschätzt 50 Milliarden Euro.
Drittens. An Cum/Ex waren praktisch alle Bankensegmente beteiligt, natürlich die Deutsche Bank, die Commerzbank, aber auch zahlreiche andere internationale Banken, aber eben auch etliche Landesbanken, die DekaBank, private Bankhäuser, und auch Sparkassen und Volksbanken waren direkt oder zumindest indirekt beteiligt.
Viertens. Cum/Ex ist auch ein Beraterskandal. Freshfields beispielsweise und andere große internationale Wirtschaftskanzleien waren zentrale Drahtzieher und haben sich darauf spezialisiert, Recht und Gesetz auszuhöhlen, statt es zu verteidigen.
Fünftens. Cum/Ex ist ein klarer Fall von Staatsversagen. Aber die staatlichen Strukturen, die diesen Skandal ermöglicht haben, sind bis heute dieselben. Und auch das ist ein Skandal“ (a.a.O., S. 17801, Lisa Paus – B90/Die Grünen).

Oder:

„Deshalb haben wir schon vor einem Jahr einen Zehn-Punkte- Maßnahmenplan vorgelegt. Der sieht unter anderem vor, erstens die drohende Verjährung der Cum/Ex-Straftaten durch eine konzertierte Aktion zwischen Bund und Ländern zu verhindern, zweitens Lobbyverflechtungen bei Gesetzgebungsverfahren durch einen legislativen Fußabdruck transparent zu machen und drittens eine systematische Analyse der Steuererstattungen auf illegale Praktiken einzuführen; denn es ist schon wirklich fahrlässig, trotz 30 Jahren Cum/Ex und Cum/Cum weder eine klare Statistik zu Kapitalertragsteuereinnahmen und -erstattungen zu haben noch Personal für eine systematische Analyse.
Schließlich fordern wir drei wichtige gesetzliche Änderungen: Erstens fordern wir die Einführung eines effektiven Whistleblower- Schutzes in Deutschland; denn all das ist letztlich nur ins Rollen gekommen, weil es Whistleblower mit Gewissen gab. Aber die brauchen unseren Schutz, meine Damen und Herren. Zweitens fordern wir die Einführung von Unternehmenssanktionen bei Steuerhinterziehung. Drittens fordern wir, dass Berater ihre steuergetriebenen Gestaltungsmodelle anzeigen müssen.
Aber bei allen drei Gesetzesvorhaben bremsen, blockieren oder verwässern Sie von der Koalition. Bezüglich der Unternehmenssanktionen hat Ministerin Barley im April 2019 angekündigt, zeitnah einen Gesetzentwurf dazu vorzulegen. Bis heute gibt es noch nicht einmal einen Kabinettsentwurf. Und bei Anzeigepflicht und Whistleblower- Schutz würde ohne die EU überhaupt nichts vorangehen“ (a.a.O., Lisa Paus – B90/Die Grünen).

Oder:

„Wir sind also auf einem guten Weg. Ich finde, beide Anträge suggerieren, dass die Finanzverwaltung, die Finanzbehörden und der Gesetzgeber untätig sind. Das ist eben nicht der Fall. Ich hoffe, das konnte ich Ihnen darstellen. Von daher brauchen wir auch keine Gesetzesverschärfung.
Die Kollegin hat darauf hingewiesen: Am Landgericht Bonn geht es um Steuerhinterziehung in einem schweren Fall, und die Strafen sind sehr drakonisch; die haben wir auch schon erhöht. Von daher haben wir, glaube ich, alle gesetzlichen Hebel genutzt, und von daher sind wir gespannt, was da jetzt endgültig herauskommt.
Den Cum/Ex-Steuerskandal können wir gar nicht beenden. Der kann in unserem Rechtsstaat logischerweise nur von den Gerichten
beendet werden. Ich hoffe, es gibt deutliche Urteile, die dann auch ihre abschreckende Wirkung haben.
Ansonsten möchte ich den Vorwurf in Richtung Finanzverwaltung, dass man dort untätig sei, zurückweisen. Dort reagiert man ziemlich schnell auf Dinge, die passieren. Von daher bin ich froh, dass wir in Deutschland eine so gute Finanzverwaltung haben“ (a.a.O., S. 17803, Fritz Güntzler – CDU/CSU).

Oder:

„Drei wesentliche Aussagen hierzu:
Erstens. Mit den Worten des Richters des 2. Senats des Finanzgerichts Köln ist deutlich zu sagen: Cum/Ex war eine kriminelle Glanzleistung. Er verdeutlicht damit die Illegalität dieses Systems. Das ist eine wichtige Klarstellung.
Zweitens. Das System funktionierte so: Drei Investoren haben mit der Dividende einer Aktie zweimal die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer beantragt und durch illegale Tricksereien rund um den Dividendenstichtag auch bekommen, auf Kosten des Staates, auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Auch dazu findet das Finanzgericht Köln deutliche Worte – es klingt ja komisch, zweimal die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu beantragen –, die Annahme, dass es mehrere parallele wirtschaftliche Eigentümer ein und derselben Aktie geben könne, sei „logisch unmöglich“, und deswegen sei auch die doppelte Rückerstattung nicht möglich.
Drittens, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es an dieser Stelle – das haben wir gehört – immer wieder die Erzählung, die Bundesregierung sei unter anderem mit dem Jahressteuergesetz 2007 nicht entschieden genug gegen diesen Betrug vorgegangen. Auch hier ein Zitat aus dem Urteil des Finanzgerichts Köln: Die Ansicht, der Gesetzgeber habe durch die neuen Regelungen im Jahressteuergesetz 2007 eine mehrfache Anrechnung der Kapitalertragsteuer bewusst in Kauf genommen und habe die negativen Auswirkungen auf das Steueraufkommen durch die Gesetzesänderung nur verkleinern wollen, ist nicht haltbar. – Ich glaube, auch Sie sollten zur Kenntnis nehmen, was im Finanzgericht Köln hierzu festgehalten wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren. Übrigens, nicht nur die Bundesregierung, sondern beispielsweise auch der Ankauf von CDs durch die Steuerfahndung Wuppertal hat wichtige Hinweise zu Cum/Ex geliefert“ (a.a.O., S. 17804 f., Michael Schrodi – SPD).

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin


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