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Umsatzsteuer-Karusselle

Aus wistra 5/2020

In den Bundestag wurde ein Antrag eingebracht, mit dem der Bundestag aufgefordert wird, Folgendes festzustellen (BT-Drucks. 19/17135):
„Systematischer Betrug mit der Umsatzsteuer ist keine neue Entwicklung (Spiegel.de, Mutmaßlicher Steuerbetrug. Forscher attestieren EU hohen Handelsüberschuss – mit sich selbst, 07.01.20). Bei einem sogenannten Umsatzsteuer-Karussell wird dabei – vereinfacht dargestellt – Handelsware nach einem Gesamtplan unter Einbeziehung von mehreren Unternehmen, zum Teil in anderen Mitgliedstaaten der EU, in einer Lieferkette verkauft, wobei planmäßig ein Unternehmen in der Kette die Umsatzsteuer auf seine Verkäufe zwar in Rechnung stellt, die eingenommene Steuer aber nicht abführt. Entscheidend für den Erfolg eines Umsatzsteuer-Karussells ist, dass sich das Karussell möglichst schnell dreht und so ein und dieselbe Ware ständig „im Kreis herum“ verkauft wird und immer wieder beim Erstverkäufer landet. Denn mit jedem Warenumlauf können die Beteiligten den Profit aus hinterzogener Umsatzsteuer erhöhen. Das europäische Journalismusprojekt „Grand Theft Europe“ unter Leitung des Recherchezentrums Correctiv berichtete im Mai 2019, dass die europäischen Staaten durch organisierten Betrug nach Schätzung der EU-Kommission jährlich 50 Mrd. Euro verlieren. Allein in Deutschland werden die Steuerzahler*innen damit mutmaßlich um einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr geprellt. Nach Schätzungen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel vom Januar 2020 entfallen ca. 30 bis 60 Mrd. Euro des statistischen Handelsbilanzüberschusses der EU mit sich selbst in Höhe von 307 Mrd. Euro im Jahr 2018 auf Umsatzsteuerbetrug. Vermutlich sind Umsatzsteuer-Karussellgeschäfte ein Hauptgrund für diese Abweichungen bei der Handelsbilanz. Es ist geboten, diesem beträchtlichen Steuerbetrug sowohl durch Sofortmaßnahmen als auch durch EU-weit koordinierte Maßnahmen entschieden entgegenzutreten.“
Zudem soll der Bundestag die Bundesregierung auffordern, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem folgende Sofortmaßnahmen gegen Karussellbetrug bei der Umsatzsteuer festgelegt werden:

  • eine monatliche Abgabepflicht von Umsatzsteuervoranmeldungen für neu gegründete Unternehmen, sofern diese nicht ausdrücklich vom zuständigen Finanzamt von der Verpflichtung zur monatlichen Abgabe befreit werden
  • die Normierung der Möglichkeit, die deutsche Steuernummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer zu versagen oder zeitnah zu entziehen (z.B. bei Missbrauchsfällen wie objektiv falschen Umsatzsteuererklärungen, Mehrfachnutzungen)
  • hinreichende Auskunftsmöglichkeiten zu Finanzinformationen für die Strafverfolgung zu gewährleisten, indem
  • § 95 StPO dergestalt geändert wird, dass Banken verpflichtet sind, Informationen über den Kontoinhaber, den Verfügungsberechtigten sowie über Kontobewegungen innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Auskunftsersuchens zu erteilen und
  • ein direktes Auskunftsersuchen innerhalb der EU an Banken ermöglicht wird. Banken sollen auch außerhalb der EU geführte Konten beauskunften und als ultima ratio über eine vorläufige Sicherung von Kontoguthaben verfügen können.
  • die schnellere und effektivere Erkennung und Festsetzung von möglicherweise inkriminierten Zahlungsströmen, d.h., bevor diese z.B. auf Zahlungsplattformen / Alternative Banking Platforms in Drittstaaten gelangen, durch eine wirksame Gesamtstrategie zur Geldwäschebekämpfung.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin
 


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